Vermischtes

Sind Frauen die besseren Ärzte?

  • Dienstag, 20. Dezember 2016
Uploaded: 19.12.2016 16:12:17 by gießelmann
Ärztinnen orientieren sich eher an Leitlinien als ihre männlichen Kollegen. /Thommy Weiss, pixelio.de

Boston – Überleben Patienten länger, die von weiblichen statt von männlichen Ärzten behandelt werden? Eine neue Studie, die gestern in JAMA Internal Medicine publiziert wurde, sagt Ja (2016; doi: 10.1001/jamainternmed.2016.7875). Ein Vertreter des IQWIG bezweifelt die Aussage­kraft der Beobachtungsstudie. Der Unterschied von 0,43 Prozent sei nicht als Effekt interpretierbar.

Zumindest bei älteren, amerikanischen Patienten im Krankenhaus, genauer gesagt auf der Station der Inneren Medizin, trifft dies zu. Wer von einer Ärztin behandelt wurde, profitierte von einer geringeren Sterblichkeit in den kommenden 30 Tagen (11,07 Prozent versus 11,49 Prozent) und wurde seltener in den kommenden 30 Tagen erneut ins Krankenaus eingeliefert (15,02 Prozent versus 15,57 Prozent). Anders dargestellt: Wenn eine Ärztin 233 Patienten behandelt, stirbt eine Person weniger innerhalb von 30 Tagen, als wenn ein Arzt 233 Patienten behandelt („number needed to treat“, um einen Todesfall zu verhindern: 233).

Eine Vermutung für das bessere Abschneiden liefern die Autoren ebenfalls. Frühere Studien hätten gezeigt, dass Frauen sich eher an Leitlinien halten und ihren Patienten häufiger Vorsorgemaßnahmen anbieten. Im Editorial ergänzen die Autoren, dass Frauen in ihrer Kommunikation mehr auf den Patienten eingehen würden und ihre Visiten länger dauern würden. Auch das sei durch Studien bereits belegt.

In ihrer Beobachtungsstudie unter­suchten die Forscher um Yusuke Tsugawa von der Harvard T. H. Chan School of Public Health in Boston die 30-Tage-Überlebensrate und Wiederein­lieferung in die Klinik von mehr als 1,5 Millionen Patienten. Insgesamt kamen im Studienzeitraum zwischen 2011 und 2014 fast 60.000 Internisten zum Ein­satz, wovon gut 30 Prozent weiblich waren. Die Frauen in der Studie waren zugleich durchschnittlich jünger, hatten eher ein osteopathische Zusatz­aus­bil­dung und behandelten knapp 50 Patien­ten weniger pro Jahr als ihre männlichen Gegenspieler.

Inhärente Verzerrungsmöglichkeiten könne man bei einer solchen nicht randomisierten Beobachtungsstudie nicht ausschließen, gibt Stefan Lange, stellvertretender Institutsleiter, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesund­heitswesen (IQWiG) in Köln, zu Bedenken. „Damit ist ein Unterschied von 0,43 Prozent beziehungsweise ein relatives Risiko von 0,963 nicht mehr als tatsächlicher Effekt interpretierbar.“

Natürlich sei anzuerkennen, dass die Autoren alle möglichen Anstrengungen unter­nommen haben, um ihre Analyse um mögliche Störgrößen zu bereinigen. „Dabei zeigt sich mit zunehmend stringenter Kontrolle eine Abnahme des beobachteten Unterschieds von 0,67 Prozent auf 0,43 Prozent. Würden also weitere plausible, vielleicht nicht gemes­­se­ne Störgrößen berücksichtigt, könnte der Unterschied noch kleiner werden und schließlich verschwinden“, vermutet Lange. Nicht-adjustierte Differenzen haben die Autoren nicht angegeben.

Als plausible, nicht gemessene Störgröße benennt der Experte des IQWiG die evidenz­basierte Medizin, an der sich Ärztinnen eher orientieren als Ärzte. Zudem würden Frauen aufgrund ihrer Doppelbelastung typischerweise zu anderen Zeiten als ihre männlichen Kollegen arbeiten. „Wollten wir wirklich wissen, ob die Versorgung durch Ärztinnen bessere Ergebnisse als die Versorgung durch Ärzte bringt, dann kämen wir angesichts der potenziell zu erwartenden, kleinen Unterschiede nicht um eine randomi­sierte kontrollierte Studie herum“, ist sich Lange sicher.

gie

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