Politik

Geteiltes Echo auf Bahrs Vorschlag zur Öffnung der PKV

  • Dienstag, 27. August 2013
Uploaded: 22.10.2012 16:14:54 by mis
dpa

Berlin – Lob, aber auch vehemente Ablehnung hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr für seinen Vorschlag erhalten, die privaten Krankenkassen für alle Versicherten zu öffnen. Während Ärzteverbände Zustimmung signalisierten, lehnen Krankenkassen, Gewerkschaften, Sozialverbände und die Opposition den Vorschlag ab.

Zurzeit können sich neben Beamten und Selbstständigen nur Bürger mit einem Bruttoeinkommen von derzeit jährlich mindestens 52.200 Euro privat krankenversichern. Bahrs Vorschlag läuft daher darauf hinaus, die sogenannte Versicherungspflichtgrenze zu kippen. Der FDP-Politiker nannte seinen Vorstoß eine „Vision“ für die Zukunft.

Notwendig sei dabei, dass jeder Bürger eine Versicherung zumindest für die Grundleistungen habe, sagte er der Rhein-Zeitung. Außerdem sollen nach Bahrs Vorstellungen künftig alle Versicherten eine Rechnung von ihrem Arzt bekommen. Bislang ist dies nur in der privaten Krankenversicherung (PKV) Pflicht. Gesetzlich Versicherte haben aber das Recht, sich eine solche ausstellen zu lassen.

„Wir finden es gut und wichtig, dass sich der Minister der Frage stellt, wie unser Krankenversicherungssystem liberal und gleichzeitig leistungsfähig gestaltet werden kann“, sagte der Vorsitzende des Hartmannbundes (HB), Klaus Reinhardt. Bahrs Vorstellung, künftig grundsätzlich allen Bürgern unabhängig von ihrem Einkommen die Entscheidung zwischen einer privaten und einer gesetzlichen Krankenkasse freizustellen, sei unter dem Gesichtspunkt von Autonomie und Entscheidungsfreiheit der Versicherten der richtige Weg, so Reinhardt.

Den Teilaspekt von Bahrs Vorschlag, wonach künftig alle Versicherten eine Rechnung vom Arzt bekommen sollen, hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Schleswig-Holstein begrüßt. „So bekommt der Versicherte ein Gefühl für die Kosten des Gesundheits­systems, in das er einzahlt“, sagte die KV-Vorstandsvorsitzende Monika Schliffke.

Allerdings sollte das Abrechnungswesen für die ambulanten Leistungen laut Schliffke vorher grundlegend geändert werden: „Ziel ist es, dass Ärzte nicht nur für Privatpatienten, sondern auch für gesetzlich Krankenversicherte feste Preise für jede Behandlung bekommen. Dies wäre echte Transparenz“, sagte die KV-Vorsitzende.

Klare Ablehnung der Kassen
Auf Ablehnung stößt Bahrs Vorstoß dagegen bei den Krankenkassen. „Echten Wettbewerb von GKV und PKV kann es nur zu gleichen Bedingungen geben“, sagte die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes Doris Pfeiffer. Die gesetzliche Kranken­versicherung stehe dafür, „allen Menschen unabhängig von ihrem Einkommen und Vorerkrankungen eine gute medizinische Versorgung zu bieten“. Dies gelte für die PKV nicht.

„Bei einer freien Wahl zwischen privaten und gesetzlichen Krankenkassen entzieht man der GKV die solidarische Finanzierungsbasis, die auf dem Ausgleich zwischen ein­kommensstarken und einkommensschwachen Mitgliedern beruht“, sagte der Vorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Christian Zahn. Bahrs Vorschlag sei daher ein weiterer Rettungsversuch für die privaten Krankenkassen, der einseitig zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung gehe und das Solidarprinzip in der GKV aushöhle.

SPD wirft Bahr Lobbyismus vor
Ebenso sieht es SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Bahr mache sich mit seinem Vorschlag zum „obersten Cheflobbyisten“ der privaten Krankenkassen sagte sie. In ihrem „Überlebenskampf“ köderten viele privaten Kassen die Versicherten mit Billigtarifen. „Doch dann steigen die Preise und am Ende können sich die Versicherten die hohen Beiträge nicht mehr leisten“, so Nahles. Bahrs Vorschlag locke viele Bürger daher in eine „Armutsfalle“, so die SPD-Politikerin.

„Daniel Bahr will das Gesundheitssystem radikal entsolidarisieren“, kritisierte die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Eine Öffnung der privaten Kranken­versicherung für alle Bürger biete keine realistische Wahlmöglichkeit, da auch die privaten Krankenversicherungen ihre Beiträge nach Alter und Gesundheitszustand kalkulierten.

„Die FDP und Bahr wollen mal wieder Klientelpolitik für die Geldinteressen der PKV und privat abrechnende Ärzte als Freiheit für alle verkaufen“, kritisierte die Linken-Gesundheitsexpertin Monika Bunge in einer Erklärung.

Auch von Gewerkschaften und Sozialverbänden kam Kritik. „Es ist unanständig, dass FDP-Gesundheitsminister Bahr blinden Lobbyismus für die private Kranken­versicherungswirtschaft betreibt“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Schon heute können weit über hunderttausend privat Versicherte ihre Beiträge nicht mehr aufbringen, erklärte der Präsident des Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer. Eine Wahlfreiheit zwischen einer privaten und einer gesetzlichen Krankenversicherung „würde dieses Problem verschärfen“.

hil

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