Hecken plädiert für tiefgreifende Krankenhausreform
Berlin – Deutschland benötigt eine grundlegende Reform der Krankenhausversorgung. Dieser Ansicht ist der Unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken. Mehr als ein Drittel der Kliniken in Deutschland seien für die medizinische Versorgung nicht nötig, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
„Zurzeit haben wir 1.900 Krankenhäuser in Deutschland. 1.200 Kliniken wären jedoch genug, um die Versorgung im Notfall sicherzustellen“, erklärte Hecken. Dann wäre immer noch von jedem Ort innerhalb von dreißig Minuten eines dieser Krankenhäuser zu erreichen.
Außerdem müssten die Kliniken künftig die Arbeit klüger untereinander aufteilen, so Hecken weiter. Kleinere Krankenhäuser auf dem Land sollten sich auf einfache Eingriffe beschränken, während anspruchsvolle Operationen nur in darauf spezialisierten Zentren durchgeführt werden sollten. „Das wäre gut für die Wirtschaftlichkeit und für die medizinische Qualität.“
Bestimmte Behandlungen ab einer vorher festgelegten Schwere der Erkrankung auszuschließen, könne man „ethisch nicht vertreten“, ergänzte Hecken auf die Frage nach möglichen Einsparungen. Allerdings sehe er zum Beispiel bei Krebspatienten eine aus seiner Sicht bedenkliche Entwicklung.
„Nur 16 Prozent der schwer kranken Krebspatienten werden in ihrer letzten Lebenswoche palliativ versorgt, bekommen also nur eine Schmerzbehandlung ohne weitere Eingriffe“, erklärte der G-BA-Chef. Bei mehr als 20 Prozent der Krebspatienten hingegen werde in der Woche vor ihrem Tod noch eine Therapie oder Operation durchgeführt, bei 8,5 Prozent sogar eine Wiederbelebung.
„Welcher Mehrwert für die Patienten ist davon noch zu erwarten?“, fragte Hecken. Er betonte, die Palliativversorgung müsse für die Kliniken auch finanziell attraktiver werden.
2020 haben die Krankenkassen nach eigenen Angaben rund 80 Milliarden Euro für Krankenhausleistungen ausgegeben, dazu kamen elf Milliarden Euro vom Bund. Die Ausgaben für Arzneimittel und niedergelassene Ärzte seien jeweils rund halb so hoch gewesen.
Um den zu erwartenden weiteren Anstieg der Krankenhauskosten zu bremsen, sei eine umfassende Strukturreform nötig, forderte Hecken. Dafür müssten jedoch die Länder, die zuletzt nur rund drei Milliarden Euro zur Finanzierung der Kliniken beigetragen hätten, auf ihre im Grundgesetz festgeschriebene Planungshoheit über die Krankenhäuser verzichten.
„Jede Landesregierung versucht, jedes ihrer Krankenhäuser zu retten. In vielen Fällen geht es dabei nicht primär um die medizinische Versorgung der Bürger, die stets als hehrer Zweck genannt wird, sondern schlicht um den Erhalt der Arbeitsplätze im Krankenhaus“, so Hecken.
Auch die Krankenkassen sehen Reformbedarf bei den Kliniken. Es brauche die Sicherung der notwendigen Landkrankenhäuser, mehr Spezialisierung für besonders schwere Fälle und insgesamt deutlich bessere Bedingungen für die Pflege am Krankenbett, sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. „Für die gute Versorgung der Bevölkerung ist es gerade in Ballungsgebieten sinnvoll, sich auf die wirklich notwendigen Kliniken zu konzentrieren“, fügte er hinzu.
Im Sommer 2019 hatte die Bertelsmann-Stiftung mit einer Studie zur Krankenhausdichte in Deutschland für Wirbel gesorgt. Darin wurde vorgeschlagen, die Zahl der Kliniken auf unter 600 zu reduzieren. Die Bündelung von Ärzten und Pflegepersonal sowie Geräten in weniger Krankenhäusern würde zu einer höheren Versorgungsqualität führen, hatten die Autoren argumentiert. Ärztevertreter und Kliniken hatten mit massiver Kritik reagiert.
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