Politik

Kommission befürwortet Neuregelungen für Fortpflanzungs­medizin

  • Montag, 15. April 2024
/picture alliance, Klaus-Dietmar Gabbert, ZB
/picture alliance, Klaus-Dietmar Gabbert, ZB

Berlin – Liberalisierungen von Eizellspenden und Leihmutterschaften sind künftig auch in Deutschland denk­bar. Zumindest sollte über diese Optionen gesellschaftlich debattiert werden, meinen die Fachleute der „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“, die heute ihre Empfehlungen vorstellten.

Die Kommission wurde als interdisziplinär zusammengesetztes Gremium aus 18 Expertinnen und Experten aus den Fachbereichen Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Recht von der Regierung berufen und hatte vor einem Jahr ihre Arbeit aufgenommen.

Neben dem Thema „Schwangerschaftsabbruch“ beschäftigte sie sich ein Jahr lang innerhalb einer Arbeits­gruppe mit den Themen „Eizellspende und Leihmutterschaft“, die beide bislang in Deutschland verboten sind. Auf Basis ihrer wissenschaftlichen Empfehlungen soll nun eine gesellschaftliche und politische Debatte ge­führt werden.

Das Votum der Arbeitsgruppe bezüglich Eizellspende ist dabei deutlich. Diese sollte in Zukunft in Deutsch­land zugelassen werden, sofern sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhe und den notwendigen Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleiste, so die Empfehlungen.

„Das derzeit geltende Verbot der Eizellspende ist nicht mehr stichhaltig“, erklärte heute die Sprecherin der Arbeitsgruppe, Claudia Wiesemann. Der Schutz der Spenderin müsse jedoch bei einer Neuregelung im Vorder­grund stehen. Deutschland sei neben Luxemburg das einzige Land in der Europäischen Union, in dem die Eizellspende noch verboten sei, so die Ärztin und Medizinethikerin von der Universität Göttingen weiter.

Wichtig sei zudem – ebenso wie bei der in Deutschland zugelassenen Samenspende – das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft zu sichern. Die bislang vertretene Ansicht, dass ein Kind durch eine „gespaltene Mutterschaft" Schäden davontragen könne, sei jedoch „überholt und nicht mehr überzeugend“.

Bei der Eizellspende halten die Kommissionsmitglieder mehrere Optionen für verfassungsrechtlich und ethisch vertretbar: So könnte künftig die Spende von Eizellen zugelassen werden, die der Frau für eigene Fortpflanzungszwecke entnommen wurden (nicht rein fremdnützige Eizellspende). In diesem Fall müsste jedoch die freiwillige und selbstbestimmte Einwilligung der informierten Spenderin und der Empfängerin der gespendeten Eizellen vorliegen.

Zudem sollte dann der Spenderin und den Kinderwunschpaaren/-personen vor der Behandlung eine zusätzli­che unabhängige Beratung angeboten werden, die auch das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung sowie psychosoziale Aspekte betreffen müsse. Sichergestellt werden müsse das Recht des Kindes auf Kennt­nis seiner Abstammung, heißt es in den Empfehlungen. Denkbar sei die Aufnahme der Spenderinnendaten in ein Register analog dem Samenspenderregister.

Für vertretbar halten die Expertinnen und Experten aber auch eine rein fremdnützige Eizellspende, also die Spende von Eizellen, die nach hormoneller Stimulation allein zum Zweck der Spende entnommen werden. Dann jedoch müsse zusätzlich insbesondere sichergestellt sein, dass bei der hormonellen Stimulation nur Verfahren eingesetzt werden, die die Spenderin so wenig wie möglich belasten.

Nötig sei auch eine angemessene Versicherung der Spenderin gegen mögliche kurz- oder langfristige Ge­sundheitsrisiken (analog zur Probandenversicherung) sowie eine angemessene Aufwandsentschädigung für die Spenderin. Diese solle nicht nur die tatsächlichen finanziellen Aufwendungen, sondern auch die körperlichen und psychischen Belastungen berücksichtigen.

„Aufgabe des parlamentarischen Gesetzgebers ist es, die individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen sowie widerstreitende Interessen einzuschätzen, abzuwägen und auf dieser Basis eine begründete Ent­schei­dung zu treffen. Mit einer entsprechenden Begründung kann das Ergebnis auch in einem Verbot der Eizell­spende bestehen.

Zurückhaltung bei altruistischer Leihmutterschaft

Zurückhaltender ist die Kommission beim Thema altruistische Leihmutterschaft. Aufgrund ethischer, prakti­scher und rechtlicher Überlegungen könnte sie verboten bleiben oder lediglich unter sehr engen Vorausset­zungen, wie ein nahes verwandtschaftliches oder freundschaftliches Verhältnis zwischen Wunscheltern und Leihmutter, ermöglicht werden – so das Fazit.

„Ein weiteres Verbot ist nachvollziehbar“, sagte die zuständige Sprecherin, die Juristin Friederike Wapler. Doch es könne auch über eine Legalisierung unter engen rechtlichen Voraussetzungen diskutiert werden. „Voraus­setzung ist aber, dass eine Ausbeutung der Leihmütter rechtlich ausgeschlossen wird“, so Wapler. Die Leih­mutterschaft müsse altruistisch sein und dies müsse auch für die Vermittlung der Leihmütter gelten. Diese dürfe nicht kommerziell organisiert werden.

„Die Leihmutterschaft birgt selbst in altruistisch angelegten Modellen ein Potenzial für Umgehungen und Missbrauch“, sagte Wapler. Es läge daher im Ermessen des Gesetzgebers, aufgrund einer Gesamtabwägung an dem bisherigen Verbot der Leihmutterschaft festzuhalten.

„Wir erwarten bei beiden Themen eine breite Diskussion in der Gesellschaft“, sagte Wiesemann. Die Kommis­sion liefere dabei die wissenschaftliche Expertise, wisse aber sehr wohl, dass diese nicht eins zu eins in Ge­setze gegossen werden könne. „Wir wollen eine Debatte anstoßen“, betonte Wiesenmann. Gleichzeitig sei man „guten Mutes“, dass auf Grundlage der Empfehlungen noch in dieser Legislaturperiode eine zeitgemäße Gesetzgebung geschaffen werden könne.

Eine Debatte über die rechtlichen Regelungen für die Reproduktionsmedizin hält die Ärzteschaft schon seit Jahren für erforderlich. Denn viele reproduktionsmedizinische Verfahren, die sich in den vergangenen Jahren international etabliert haben, sind in Deutschland durch das aus dem Jahr 1990 stammende Embryonen­schutz­gesetz verboten, andere wiederum rechtlich überhaupt nicht geregelt – eine unbefriedigende Situation für Ärztinnen und Ärzte sowie Betroffene.

Die Reproduktionsmediziner begrüßen deshalb die Empfehlungen der Kommission zur Reproduktionsmedizin. „Die Kommission hat der Politik mit ihnen Hausaufgaben aufgegeben, die nun auch umgesetzt werden müss­en“, sagte Jan-Steffen Krüssel, Leiter des Universitären Interdisziplinären Kinderwunschzentrums Düsseldorf (UniKiD) an der Frauenklinik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, dem Deutschen Ärzteblatt.

Insgesamt spiegelten die Empfehlungen der Expertinnen und Experten die Vorschläge der Ärzteschaft wider, betonte der Arzt. Diese hatte bereits 2020 auf Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärzte­kammer (BÄK) ein Memorandum vorgelegt, das eine punktuelle Reform des Embryonenschutzgesetzes befür­wortete.

„Insbesondere die fundierten Empfehlungen der Kommission zur Eizellspende unterscheiden sich nicht vom Memorandum“, so Krüssel, der gleichzeitig Federführender des Arbeitskreises „Offene Fragen der Reprodukti­onsmedizin“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer ist. „Das Kommissionspapier stärkt damit die Position der Bundesärztekammer“, betonte er.

Die Voraussetzungen, die die Kommission an eine mögliche Zulassung der Eizellspende knüpfe, seien gut formuliert, so das Fazit des Reproduktionsmediziners. Auch bezüglich einer möglichen Liberalisierung der Leihmutterschaft käme die Kommission zu einer realistischen Einschätzung.

Wichtig sei, Leihmutterschaft auch finanziell zu honorieren, jedoch keine zu hohen finanziellen Anreize zu setzen. „Was die Politik jetzt mit diesen Empfehlungen macht, müssen wir jetzt leider abwarten“, sagte Krüssel. Persönlich gehe er jedoch davon aus, dass die Eizellspende in Deutschland in Zukunft zugelassen werde.

Dies hofft beispielsweise auch der Lesben- und Schwulenverband, der auch schon seit langem eine Überprü­fung der geltenden Verbote von Eizellspende und Leihmutterschaft fordert. Es müsse nun zügig ein Gesetz­ent­wurf vorgelegt werden, um einen klaren rechtlichen Rahmen zu schaffen, der die reproduktive Selbstbe­stimmung und den notwendigen Schutz der abgebenden Personen sowie die Rechte der betroffenen Kinder sicherstelle, betonte er heute.

Die Empfehlungen der Kommission werden aber nicht nur positiv bewertet. So kritisiert zum Beispiel die Aktion Lebensrecht für Alle (Alfa), dass sowohl die Begriffe Eizellspende als auch Leihmutterschaft Tatsachen verschleierten. Eizellen würden nicht gespendet, sondern gekauft, und Mütter nicht geliehen, sondern Gebär­mütter gemietet.

Die von der Kommission empfohlene finanzielle Ausgestaltung der altruistischen Leihmutterschaft mache offenkundig, dass es sich um ein Geschäft handele, das sich von einer kommerziellen Leihmutterschaft nicht mehr trennscharf unterscheiden lasse. „Insofern muss auch befürchtet werden, dass die von der Kommission empfohlene Aufhebung der bislang geltenden Verbote von Eizellspende und Leihmutterschaft letztlich als Türöffner für nachfolgende kommerzielle Varianten fungieren werden“, so Alfa.

Donum vitae weist bezüglich einer möglichen Zulassung der Eizellspende auf die im Grundgesetz festgelegte Würde der Person und das damit verbundene Instrumentalisierungsverbot hin. Das aktuelle und künftige soziale und psychische Wohl aller Beteiligten müsse im Mittelpunkt stehen.

Die Schwangerschaftsberatungsstellen seien bereits jetzt Ansprechpartner für Frauen und Paare mit uner­fülltem Kinderwunsch im Kontext einer Samenspende. Man wolle sich mit dieser Expertise auch in die weitere Debatte einbringen.

ER

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