Politik

Eizellspende und Leihmutterschaft: Feministische und kontroverse Debatte

  • Freitag, 3. November 2023
/picture alliance, Rainer Jensen
/picture alliance, Rainer Jensen

Berlin – Der Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft (AKF) sieht derzeitige Bestrebungen, die Eizellspende und altruistische Leihmutterschaft in Deutschland zu legalisieren, kritisch. Dies wurde auf seiner heutigen Jubiläums-Fachtagung zum 30-jährigen Bestehen deutlich.

Sehr kontrovers diskutierte der Zusammenschluss von unabhängigen Frauengesundheitsorganisationen heute in Berlin verschiedene Aspekte der reproduktiven Selbstbestimmung und eine eventuelle Änderung des derzeit geltenden Embryonenschutzgesetzes.

Hintergrund für die Debatte sind die derzeit laufenden Beratungen der durch die Bundesregierung berufenen „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“, die momentan die Möglich­keiten zur Legalisierung prüft.

Bei der teilweise emotionalen Diskussion auf der AFK-Fachtagung zeigte sich, dass einige AKF-Mitglieder die momentan geltende Ungleichbehandlung von Eizellspende und Samenspende durchaus nachvollziehen können. Eine Eizellspende setze immer einen invasiven und risikobehafteten medizinischen Eingriff voraus.

Spermien hingegen könnten ohne Eingriff in die körperliche Integrität abgegeben werden, betonte unter an­derem die Gynäkologin Silke Koppermann, AFK-Mitglied und Mitglied der Kommission Repromedizin der Ärz­te­kammer Hamburg. Sie sieht die Gefahr einer Ausweitung der Nachfrage bei bestehendem Angebot.

„Wenn Frauen für eine Behandlung sogar ins Ausland fahren, sind sie umso mehr bereit, auch im Inland dafür zu bezahlen, was die Gefahr einer Kommerzialisierung verstärkt“, so Koppermann. Reproduktive Selbstbestim­m­ung ende da, wo kommerzielle Aspekte vorherrschten und Dritte benutzt würden. Auch Kinderwünsche queerer Menschen könnten anders erfüllt werden.

Für ­Monika Knoche, früher Bundestagsabgeordnete für die Grünen und die Linke, sind Eizellspende und Leih­mutterschaft keine Zeichen für Emanzipation und Gleichstellung. Die Zuschreibung von Weiblichkeit und „weib­lichen Diensten“ werde noch verfestigt, wenn Frauen, die auf Geld angewiesen seien, als Eizellgeberin­nen und Leihmütter benutzt würden, sagte sie. „Die alte Frauenfrage hat sich nicht erledigt. Vielmehr ist eine weitere dazugekommen.“

Die Gesellschaft müsse nicht den Partikularinteressen einer queeren Gruppe folgen, betonte Knoche. Die Na­tur sähe die gegengeschlechtliche Fortpflanzung vor – ohne dabei zu diskriminieren. Wer eine andere Lebens­form wähle, wisse eigentlich, dass keine Fortpflanzung möglich sei.

Dem widersprach Tina Rudolph, Sprecherin für Globale Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion. Auch in an­de­ren medizinischen Bereichen würde Menschen ein verbessertes Leben oder Weiterleben durch Eingriffe ermöglicht, die nicht in der Natur vorkommen würden.

Monika Bals-Pratsch, Reproduktionsmedizinerin und langjährige Sprecherin der Ärztinnen in der Reproduk­tions­medizin (ÄRE) sowie Mitglied im Deutschen Ärztinnenbund (DÄB), wies auf die Notwendigkeit einer Ge­setzesreform hin. Die Ärztinnen und Ärzte in der Reproduktionsmedizin benötigten Rechtssicherheit und den Paaren in Deutschland müsse eine legale Alternative zu kommerziellen Eizellspenden im Ausland ermöglicht werden.

Sie hoffe, dass dann die immer noch drohende Kriminalisierung für ärztliche Kolleginnen und Kollegen enden würde, die bei der altruistischen Vermittlung von gespendeten Embryonen nach Freigabe von befruchteten Eizellen mitwirkten, sagte die Reproduktionsmedizinerin. Eine Regelung der Eizellspende hält sie für notwen­dig, aber durchaus schwierig. Dennoch sollte eine legale Eizellspende in Deutschland für die Paare möglich sein, die sich ein Kind mit einem biologischen Elternteil wünschen, so die Ärztin.

Auch Risiken betrachten

Eine andere Perspektive eröffnete Angelika Linckh, Frauenärztin und Mitglied der Gynäkologinnen im AKF. Sie wies eindrücklich auf die Risiken für die Eizellgeberin bei einer Eizellspende hin.

Die notwendige hormonelle Behandlung führe häufig zu wechseljahrsähnlichen Beschwerden, zu Übelkeit, Stimmungsschwankungen, selten auch zu schweren krankenhauspflichtigen Überstimulationen mit Wasseran­sammlung in Bauch und Lunge, Luftnot und/oder mit Beeinträchtigungen der Leber- und Nierenfunktion.

Zudem könne die invasive Abpunktion der Eizellen zu Blutungen führen, die eine Beeinträchtigung der eige­nen Fruchtbarkeit der Geberin zur Folge haben könnten. „Ferner gibt es keine Langzeitstudien und keine ob­jektiven Daten zur reproduktiven und psychischen Gesundheit von Eizellgeberinnen“, kritisierte sie.

Aber auch die Eizellnehmerin gebe es Risiken, sagte Linckh. Eine Schwangerschaft nach künstlicher Befruch­tung mit fremden Eizellen habe im Vergleich zu einer IVF-Behandlung mit eigenen Eizellen besondere Risi­ken durch die erhöhte Fremdantigenität des Embryos. Dies könne zu verstärkten entzündlichen Gegenreaktio­nen im Körper der Schwangeren führen. Außerdem würden häufiger Gestationsdiabetes sowie prä- und post­partale Blutungen auftreten.

„Die maternale Morbidität und Mortalität sind bei fremden Eizellen insgesamt doppelt so hoch wie bei eige­nen“, so die Gynäkologin. Die Risiken des Leihgebärens deckten sich weitgehend mit denen der Fremd-Eizell­behandlung, weil die Leihmutter in der Regel ein Kind nach einer künstlichen Befruchtung mit den Eizellen der Bestellenden oder einer Eizellgeberin austrage. Zusätzlich gehe sie alle Risiken der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbetts ein und habe die seelische Belastung, ein Kind für andere auszutragen, um es dann abzugeben.

Auch Sina Tonk von Terres des Femmes positionierte sich gegen die Eizellspende und die Leihmutterschaft. Terre des Femmes nenne die Leihmutterschaft „Mietmutterschaft“, da es sich um ein globales Geschäftsmodell handele, das auf ungleichen Machtverhältnissen beruhe und die Menschenwürde von Frauen und Kindern verletze, erläuterte sie. „Leihmutterschaft muss daher weiterhin verboten bleibt“, so Tonk. Terre des Femmes fordere zudem auch ein Verbot für die Beauftragung von Mietmüttern im Ausland.

Chantal Bittner, Doktorandin im Bereich Medizinstrafrecht an der Universität zu Köln, beleuchtete bei der Fachtagung die Problematik aus Sicht der betroffenen Kinder. Für einige sei die Eizellspende keine „Spende“. Besonders hob Bittner die dürftige Studienlage hervor, die es in Bezug auf die betroffenen Kinder gebe.

Bisherige Studien deuteten aber darauf hin, dass die Eizellvermittlung durchaus aus Sicht des Kindes proble­matisch sein könnte. Das Argument, dass eine sogenannte gespaltene Mutterschaft für das Kindeswohl un­schädlich sei, könne daher nicht empirisch belegt werden. „Vergleichende Studien, die die Perspektive von Samen- und Eizellspendekindern im Hinblick auf ihr Wohlbefinden untersuchen, gibt es bisher schlicht nicht", so Bittner.

Dorothee Kleinschmidt, Ärztin und Systemische Familientherapeutin im Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland und pro familia, setzte sich vor allem für eine gerechtere Fortpflanzungsmedizin ein.

Unabdingbar seien vor allem eine gerechte Finanzierung der Behandlung, die Durchsetzung eines reformier­ten Abstammungsrechtes, die flächendeckende Etablierung des single-embryo-transfers und eine Legalisie­rung der Eizellabgabe unter strengen Auflagen. Eine Leihmutterschaft lehnt dagegen Kleinschmidt ab, da die Selbstbestimmung der Frau dabei nicht mehr gegeben sei. „Das ist eine ganz andere Kategorie als Eizellspen­de“, sagte sie.

ER

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung