Ärztinnen in der Leitung von Studien unterrepräsentiert

Berlin – Ärztinnen sind weltweit deutlich seltener Letztautorinnen in wissenschaftlichen Artikeln als Ärzte – vor allem in Fachgebieten mit einem hohen Frauenanteil. Als Erstautorin sind sie dagegen mit Ärzten in etwa gleich auf oder sogar häufiger vertreten.
Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Analyse von Forschenden um Sarah Keller von der Charité Universitätsmedizin Berlin (BMC Medical Education, 2023; DOI: 10.1186/s12909-023-04041-6).
In der Gynäkologie, der Fachbereich mit den meisten Ärztinnen, waren Frauen proportional am seltensten Letztautorin: Hier lag die Odds Ratio (OR) im Untersuchungszeitraum 2017/2018 bei 0,52 (95-%-Konfidenzintervall (KI): 0,42-0,65). Ähnlich sah es in der Kinderheilkunde (OR 0,56, 95-%-KI: 0,49-0,65) und in der Radiologie aus (0,57; 95-%-KI: 0,46-0,70).
In den Fachbereichen Chirurgie und Urologie war das Verhältnis dagegen ausgeglichen oder sogar auf Seite der Frauen. In der Urologie betrug die OR für die Letztautorenschaft 0,99 (95-%-KI: 0,72–1,35) und in der Chirurgie sogar 1,22 (95-%-KI: 0,95–1,55). Das sind die Fachbereiche mit einem besonders geringen Frauenanteil: 2017/2018 lag der Ärztinnenanteil in Deutschland bei 17,1 % in der Urologie und bei 20,8 % in der Chirurgie.
In den Disziplinen, in denen die Frauen in der Letztautorenschaft unterrepräsentiert sind, arbeiteten dagegen verhältnismäßig mehr Frauen: 38,3 % in der Radiologie, 59,3 % in der Pädiatrie und 67,7 % in der Gynäkologie.
Wie genau die Situation in Deutschland aussieht, lässt sich aus der Studie allerdings nicht ablesen. Dazu könnte es bald allerdings Daten geben: „Ziel der Studie war ein globaler Vergleich der Fachrichtungen und weniger eine Gegenüberstellung der untersuchten Länder. Die Daten hierzu liegen jedoch vor und sind aktuell Gegenstand weiterer Auswertungen“, berichtet Studienleiterin Keller dem Deutschen Ärzteblatt.
Diskrepanz zwischen Erst- und Letztautorenschaft
In der Erstautorenschaft waren Frauen dagegen teils sogar überrepräsentiert. Das galt für die Fachbereiche Chirurgie, Gynäkologie und insbesondere für Urologie. Hier lag die OR bei 2,8 (95-%-KI: 2,31-3,39). In der Pädiatrie und Radiologie war das Verhältnis zwischen Ärztinnen und Ärzten in der Erstautorenschaft ausgeglichen.
Verglichen mit 2007/2008 gab es 2017/2018 in den meisten Fachgebieten entweder einen Anstieg oder der Ärztinnenanteil sowohl in der Erst- als auch in der Letztautorenschaft ist gleich geblieben.
Allerdings sank in den Fachbereichen Urologie und Gynäkologie die OR für die Letztautorenschaft von 2,8 auf 2,59 beziehungsweise von 0,62 auf 0,52. In der Urologie verminderte sich zudem auch der Frauenanteil in der Erstautorenschaft, der jedoch insgesamt weiterhin sehr hoch war.
„Die Diskrepanz zwischen der Erst- und Letztautorenschaft könnte den Ausstieg von Frauen aus der akademischen Laufbahn in der frühen oder mittleren Karrierephase widerspiegeln“, resümieren die Forschenden. Denn zwar gibt es mehr Medizinstudentinnen als -studenten, doch nimmt der Frauenanteil mit steigender Karrierestufe drastisch ab. Gründe dafür sind dem Autorenteam zufolge strukturelle Ungleichheit und geschlechtsspezifische Präferenzen.
Das Forschungsteam analysierte 30.803 Artikel von jeweils 3 High-Impact-Journals aus den Fachbereichen Urologie, Gynäkologie, Chirurgie, Pädiatrie und Radiologie aus den Jahren 2007/2008 und 2017/2018. Es verglich das Geschlecht der Erst- und Letztautorenschaft mit dem Geschlechterverhältnis in jeder Disziplin für die USA, Kanada, das Vereinigte Königreich, Frankreich, Japan und Deutschland.
Aus Deutschland kamen 928 Artikel mit Erstautorenschaft und 912 Artikel in der Letztautorenschaft. Ein deutsches Journal war allerdings nicht in der Analyse vertreten.
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