Zivilschutzkonzept: Pläne betreffen auch Kliniken und Ärzte

Berlin – Die Bundesregierung hat gestern im Kabinett eine neue „Konzeption Zivile Verteidigung“ – kurz KZV – beschlossen. Ziel ist es, vor allem die notwendigen Grundbedürfnisse der Menschen im Fall eines Angriffs oder einer verheerenden Terrorattacke zu sichern. Es geht dabei unter anderem um die medizinische Versorgung, Wasser und Nahrungsmittel. Das Konzept tangiert somit auch Kliniken und Ärzte. Es gehe um Vorsorge, die vor allem vom Staat und seinen Organisationen zu gewährleisten sei, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei der Vorstellung des Konzepts. „Wir alle wünschen uns, dass uns größere Krisen erspart bleiben“, betonte der Minister. Für große Krisen-Gefahrenlagen müsse man aber vorbereitet sein.
In die Konzeption beratend eingebunden waren das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und das Robert Koch-Institut (RKI). Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft erklärten auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes, sie seien nicht beteiligt gewesen. Beide verwiesen auf die Zuständigkeit der Länder. Ein KBV-Sprecher betonte allerdings, es sei sinnvoll, die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) früh in solche Planungen einzubeziehen. Darüber hinaus könnten Niedergelassene – wie die meisten Bürger – ohnehin nur im Verteidigungsfall vom Bund dienstverpflichtet werden.
Vieles muss geprüft werden
Das 70-seitige Papier sieht im Detail eine Reihe von Gesetzesänderungen und Prüfaufträgen vor. Unter anderem sollen die auf Bund, Länder und Kommunen aufgeteilten Aufgaben zum Schutz der Zivilbevölkerung besser koordiniert werden. Das Technische Hilfswerk (THW) muss sich in diesem Zusammenhang auf Veränderungen einstellen, bei denen die Bereiche Rettung und Bergung, Notinstandsetzung und Notversorgung sowie Planung und Organisation neu gewichtet werden. Geprüft werden soll unter anderem auch, ob für die Bevölkerung eine persönliche Schutzausrüstung für den Fall eines Angriffs mit chemischen, biologischen, radiologischen oder nuklearen Waffen angeschafft werden soll.
Die Länder sollen für den Katastrophenschutz Sanitätseinheiten als Ergänzung zum Rettungsdienst aufbauen. Dieser soll die „präklinische Versorgung“ und damit die Arbeiten bis zur Übergabe der Patienten an eine medizinische Einrichtung übernehmen. Die Aufgabe, dass bundesweit ausreichend Krankenhäuser bereitstehen, fällt ebenfalls den Bundesländern zu. „Ausreichende Behandlungs- und Aufnahmekapazitäten“ seien länderübergreifend in einer Krankenhausalarmplanung in Absprache mit den Ländern sicherzustellen. Der Bund will unterstützend ein „Handbuch zur Krankenhausalarm- und -einsatzplanung (KAEP)“ erstellen.
KVen sollen Sicherstellungsauftrag erfüllen
Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sind laut Zivilschutzkonzept angehalten, ihren Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Explizit erwähnt werden die Verfügbarkeit der verschiedenen Arztgruppen entsprechend der Bedarfsplanung sowie ein flächendeckender Notdienst. „Soweit bestimmte Regionen unterversorgt sind, ist die ärztliche Versorgung in diesen Regionen durch geeignete Maßnahmen zu stärken. Vorhandene Instrumente (beispielsweise finanzielle Anreize) sind bedarfsgerecht weiterzuentwickeln“, heißt es in dem Papier.
Für die medizinische Versorgung soll zudem geprüft werden, ob die Auslastungsreserven, die es bei der stationären Versorgung „im Großschadensfall“ gibt, im Jahresdurchschnitt eine stabile Versorgung gewährleisten würden. In die Analyse einbezogen werden sollen auch Kernbereiche wie Notaufnahmen, Operationssäle, Intensivstationen, Betten für Schwerbrandverletzte oder Isolierstationen. Vorgesehen ist auch, dass die Länder Verbandsmaterial, Medizinprodukte und Arzneimittel bereithalten, um einen „erhöhten medizinischen“ Bedarf abdecken zu können.
Bevorratung teilweise schon gesetzlich vorgeschrieben
Bislang ist nach dem Papier des Innenministeriums durch bestehende Verpflichtungen eine flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten über einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen gesichert. Das gelte auch für Verbandsstoffe, Einwegspritzen und -kanülen, Katheter, Überleitungsgeräte für Infusionen sowie Produkte zur Blutzuckerbestimmung. Nicht erfasst sei bislang die „Situation eines sprunghaft ansteigenden Bedarfs spezifischer Arzneimittel oder Medizinprodukte in bestimmten Krisensituationen“. Auch die Deckung eines länger als zwei Wochen dauernden Zeitraums sei nicht erfasst. Greifen soll künftig im Notfall die staatliche Sanitätsmaterialbevorratung. Darüber hinaus soll die Bevölkerung für den Eigenbedarf vorsorgen. Eine Hausapotheke solle einen „Vorrat an regelmäßig benötigten Medikamenten“ beinhalten.
Robert Koch-Institut einbezogen
Pläne gibt es auch für chemische (C), biologische (B), radiologische (R) und nukleare (N) Schadensereignisse – kurz CBRN. Das Robert Koch-Institut (RKI) erhält die Aufgabe, Konzeptionen zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen zu entwickeln. Das Institut soll zudem Richtlinien, Empfehlungen und Merkblätter erstellen.
Vor Krankenhäusern sollen im Notfall Dekontaminationsstellen eingerichtet werden. Überprüft wird, ob ein Vorrat von Schutzanzügen angeschafft werden muss. Darüber hinaus sollen ausreichend Pockenimpfstoffe, Antibiotika, Kaliumiodid-Tabletten und Beatmungsbetten vorgehalten werden. Dies ist aber zumeist heute schon der Fall.
Private Vorsorge bei Trinkwasser und Nahrung
Die Trinkwasserversorgung soll dem Plan zufolge über „autarke Brunnen und Quellen in Verbindung mit einer mobilen Trinkwassernotversorgung (Wassertransporte)“ sichergestellt werden. „Leistungsstarke Brunnen sollen an exponierten Standorten insbesondere in Großstädten und Ballungsgebieten gebaut oder hergerichtet werden“, heißt es. Zur Desinfektion des Wassers sollen Chlortabletten eingesetzt werden. Der Bevölkerung wird empfohlen, zur Erstversorgung „für einen Zeitraum von fünf Tagen je zwei Liter Wasser pro Person und Tag in nicht gesundheitsschädlicher Qualität vorzuhalten“. Die staatliche Notvorsorge sichert demnach die Minimalversorgung mit Trinkwasser für mindestens 14 Tage. Als Mindestbedarf werden 15 Liter pro Person und Tag, 75 Liter pro Bett und Tag in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie 150 Liter in der Intensivmedizin angegeben.
Die Versorgung mit Nahrungsmitteln soll bei einem Krisenfall so lange wie möglich durch die private Lebensmittelwirtschaft abgewickelt werden. Ist eine Grundversorgung nicht mehr gewährleistet, kann die Regierung per Rechtsverordnung in die Lebensmittelerzeugung und bei der Verteilung einschreiten. Sprich: Es würde eine Rationierung geben. Zum Selbstschutz werden die Bürger angehalten, einen Vorrat an Lebensmitteln für einen Zeitraum von zehn Tagen vorzuhalten, „um durch entsprechende Eigenvorsorge die staatlichen Maßnahmen zu unterstützen“. Konkrete Mengenangaben werden hier nicht gemacht.
Das Konzept enthält zudem weitere Schwerpunkte wie die Versorgung mit Bargeld und Energie sowie Notfallpläne für eine Abfall-, Abwasserentsorgung und vieles mehr.
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