KBV-Info: 800 Millionen Euro mehr Honorar 2016 – vielfältige Kritik am Beschluss
Berlin – Mit dem Beschluss zum Orientierungswert und damit zu den Preisen für ärztliche und psychotherapeutische Leistungen sind die Honorarverhandlungen für das Jahr 2016 auf Bundesebene beendet. Darauf weist die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in ihrem Informationsdienst „Praxisnachrichten“ hin. Im nächsten Jahr stehen danach rund 800 Millionen Euro mehr für die ambulante Versorgung der rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten zur Verfügung.
Davon entfallen etwa 550 Millionen Euro auf die Anpassung des Orientierungswerts. Er erhöht sich ab Januar 2016 von rund 10,27 Cent auf 10,44 Cent. Die KBV hatte statt einer Erhöhung um 1,6 Prozent ein Plus von rund 2,6 Prozent gefordert. KBV-Vorstand Andreas Gassen hatte sich enttäuscht vom Beschluss im Erweiterten Bewertungsausschuss gezeigt.
Rund 250 Millionen Euro mehr müssen die Krankenkassen bereitstellen, um den steigenden Behandlungsbedarf aufgrund zunehmender Krankheiten und einer immer älter werdenden Bevölkerung zu decken. Über die genaue Höhe dieses Betrages verhandeln ab Herbst die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) mit den Krankenkassen auf Landesebene.
NAV und Hartmannbund halten Erhöhung für zu niedrig
Das Ergebnis der Honorarverhandlungen sei „kein Signal der Hoffnung für die Praxisärzte“, erklärte der Bundesvorsitzende des NAV-Virchow-Bunds, Dirk Heinrich. Die Schlichter hätten – gegen die Stimme der Ärzteschaft – ein Ergebnis beschlossen, das die Praxiserlöse nicht in dem erforderlichen Umfang anpasse. „Verbunden mit der Budgetierung, die dafür verantwortlich ist, dass rund 20 Prozent der Leistungen gar nicht bezahlt werden, ist wieder eine Chance verpasst, die Niederlassung und den Beruf des Praxisarztes, in selbstständiger wie in angestellter Form, attraktiver zu gestalten und so dem drohenden Arztmangel zu begegnen“, betonte Heinrich.
Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, kritisierte den Abschluss ebenfalls. Damit „haben Kassen und unparteiischer Vorsitzender mit Mühe und Not einen Inflationsausgleich geschaffen und damit eindrucksvoll demonstriert, dass sie nicht gewillt sind, den unübersehbaren Herausforderungen unseres Gesundheitssystems Rechnung zu tragen“. Trete man aber weiter honorarpolitisch auf der Stelle, seien weder der notwendige medizinische Fortschritt noch die Herausforderungen einer immer älter werdenden Gesellschaft zu bewältigen.
Ulrich Weigeldt, der wiedergewählte Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, meinte heute während der Delegiertenversammlung seines Verbands in Berlin: „Wir hoffen, dass dieser – wenn auch geringe – Zuwachs nicht wieder an den Hausärzten vorbeigeht.“
Kritik am Beschluss zur Vergütung der Psychotherapie
Eine einvernehmliche Lösung hatte der Erweiterte Bewertungsausschuss auf Basis zuvor beschlossener Eckpunkte zur Anpassung der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen erzielt. Demnach steigt die Vergütung für Psychotherapeuten jährlich um rund 80 Millionen Euro. Die Psychotherapeutenverbände bewerteten dies in einer gemeinsamen Stellungnahme als „längst fälligen Beschluss“. Im Ergebnis „sind die Psychotherapiehonorare seit 2012 anzuheben und entsprechende Nachvergütungen auszuzahlen. Gleichzeitig erhöht sich das Honorar für die Zukunft“, so ihre Erläuterung.
Die Vergütung jeder genehmigungspflichtigen Leistung steigt demnach um 2,7 Prozent. Außerdem gibt es ab einer bestimmten Mindestauslastung der Praxis einen Zuschlag, mit dem die Finanzierung von Praxispersonal unterstützt werden soll. „Dies wirkt sich so aus, dass auf mehr als die Hälfte der Leistungen kein Zuschlag bezahlt wird“, heißt es in der Stellungnahme. Und: „Weil im Durchschnitt nur jeder zweite Psychotherapeut Widerspruch gegen seine Honorarbescheide eingelegt hatte, reduziert sich die prognostizierte Gesamtsumme an Nachzahlungsbeträgen von 80 Millionen Euro auf ca. 40 Millionen Euro pro Jahr.“
Die Verbandsvorsitzenden der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung, Barbara Lubisch, des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten, Martin Kremser, und der Vereinigung analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Uwe Keller, kritisierten den Beschluss. Nur mit allen Kräften und mit der Unterstützung der KBV sei es überhaupt gelungen, die Entscheidung in den Erweiterten Bewertungsausschuss zu verlagern und eine Honorarerhöhung zu erwirken, erläuterten sie.
Mit der höheren Vergütung werde aber die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu Lasten der Psychotherapeuten neu interpretiert. Dem Gericht zufolge habe die Mindestvergütung nicht nur für einen Teil, sondern einheitlich für alle genehmigungspflichtigen Leistungen zu gelten.
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