AbbVie sorgt für Irritationen bei Austauschmöglichkeit von Humira

Berlin – AbbVie Deutschland, Hersteller des Biologikums Adalimumab (Humira), versucht Ärzte offenbar davon abzuhalten, auf Humira eingestellte Patienten auf Biosimilars umzustellen. Das lässt sich den Informationen aus zwei Newslettern entnehmen, die dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegen. Bereits in der Betreffzeile der E-Mails heißt es, ein Austausch von Humira durch Adalimumab-Biosimilars sei nicht erlaubt.
Die Informationen wurden am 18. Februar 2019 und am 18. März 2019 als Newsletter des „Rp. Instituts zur Sicherung der Arzneimittelverordnung“ auch an Ärzte versendet. Um für eine rechtliche Absicherung zu sorgen, taucht im Newslettertext zwar das Wort „Anzeige“ auf. Unten auf der zweiten Seite des Informationsblattes findet sich zudem die Information, dass die Angaben „mit freundlicher Unterstützung der AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG“ zustande gekommen sind.
Dass es sich um eine „Anzeige“ handelt, ist allerdings nicht zu erkennen, wenn nur die Betreffzeile der E-Mail zu lesen ist. Und auch in dem zweiseitigen Informationsblatt, das auf der ersten Seite wie eine neutrale Arzneimittelinformation wirkt, steht der Hinweis auf AbbVie erst im Kleingedruckten auf der zweiten Seite. Dafür titelt das Informationsblatt vorne in Großbuchstaben: „Humira: Kein Austausch durch Adalimumab-Biosimilars erlaubt“. Darüber hinaus folgt nach einer Erklärung über Biosimilars wiederholt der Hinweis, dass Humira nicht gegen Adalimumab-Biosimilars ausgetauscht werden dürfe.
Weiter heißt es in dem Newsletter: „Humira eindeutig verordnen“. Dort empfiehlt AbbVie den Ärzten, Präparatenamen, Wirkstärke, Darreichungsform und Packungsgröße sowie die Pharmazentralnummer (PZN) auf dem Rezept zu vermerken. Wirkstoffverordnungen, die einen Austausch in der Apotheke ermöglichen, sollten vermieden werden.
Die Vorgehensweise von AbbVie hat die AG Pro Biosimilars auf den Plan gerufen. Sie hatte sich bereits am 20. März in einem Schreiben an das Unternehmen gerichtet. Darin warf Pro Biosimilars AbbVie eine gezielte Verunsicherung der Ärzteschaft bis hin zu bewusster Irreführung vor.
„Die Absicht ist offenkundig: Hier soll suggeriert werden, es sei Ärzten verboten, Humira durch eines der Adalimumab-Biosimilars zu ersetzen“, schreiben Stephan Eder, Vorsitzender von Pro Biosimilars, und Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Biosimilars, in dem Brief, der dem DÄ vorliegt. AbbVie verweist in dem Antwortschreiben vom 25. März darauf, dass in dem Newsletter inhaltlich die konkrete Umsetzung der Verordnungsentscheidung des Arztes in der Apotheke beschrieben werde.
Auf DÄ-Nachfrage erklärte AbbVie ebenfalls, es sei das Ziel des Newsletters gewesen, Informationen zu den geltenden deutschen Regelungen zur Substitution von Biologika in der Apotheke zur Verfügung zu stellen. „Diese legen ausdrücklich fest, dass nicht identische Biologika in der Apotheke nicht automatisch substituiert werden dürfen“, sagte ein AbbVie-Sprecher dem DÄ. Darüber sollte der Newsletter Ärzten eine „faktenbasierte Anleitung geben“.
Ein Arzt, der die Newsletter erhalten hat, erklärte dem DÄ, er sei verunsichert gewesen, obwohl er eigentlich gewusst habe, dass es keine Einschränkungen bezüglich eines Biosimilaraustausches für Humira auf Arztseite gebe. „Teure Medikamente, mögliche Regresse und alles, was dazugehört, ist für Ärzte ja durchaus ein Angstthema“, sagte der Mediziner, der nicht namentlich genannt werden wollte.
Der Arzt betonte darüber hinaus, ihm sei der Hinweis auf die „Anzeige“ in den Newslettern zunächst nicht aufgefallen. Grundsätzlich halte er die Vorgehensweise für „unfair“, weil schon durch den Betreff potenzielle Ausweichmöglichkeiten als „no go“ klassifiziert worden seien. Darüber hinaus könne er sich nicht erinnern, den Newsletter aktiv abonniert zu haben.
Am 16. Oktober hatte Adalimumab (Humira) von AbbVie in Europa seinen Patentschutz verloren. Allein in Deutschland erzielte das Unternehmen mit dem Biologikum, das vor allem bei rheumatischen Erkrankungen zum Einsatz kommt, pro Jahr fast eine Milliarde Euro Umsatz.
Mit dem Auslaufen des Patentschutzes war ein Preiswettkampf in Gang gesetzt worden. Innerhalb kurzer Zeit pendelten sich die Preise bei bis etwa 40 Prozent geringeren Kosten ein. Bereits fünf Wochen nach Markteintritt – das war im November des vergangenen Jahres – lag der Versorgungsanteil der Biosimilars von Adalimumab bereits bei 19,5 Prozent.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: