Ablehnungsbescheide für ärztliche Fortbildung in Baden-Württemberg haben Bestand

Berlin/München – Im vergangenen Jahr hatte die Landesärztekammer Baden-Württemberg dem Fortbildungsanbieter Omniamed die CME-Zertifizierung für eine Veranstaltung verweigert. Nun sind die Ablehnungsbescheide unanfechtbar geworden, teilte die Ärztekammer mit. Gegen den Ablehnungsbescheid hatte das Unternehmen zunächst Widerspruch eingereicht – diesen aber zurückgenommen.
„Dass ein Fortbildungsanbieter seinen Widerspruch zurückgezogen hat, bevor es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kam, spricht für unser Prüfverfahren und unsere Ablehnungsgründe“, erklärte Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Er zeigte sich erfreut, dass man dazu beigetragen habe, dass ärztliche Fortbildung frei von Interessen Dritter blieben.
Grundsätzlich würden alle eingereichten Fortbildungen darauf geprüft, ob dafür das Fortbildungszertifikat der Ländesärztekammer Baden-Württemberg vergeben werden könne, hieß es im August vergangenen Jahres. Dabei könne es durchaus vorkommen, dass eine CME-Zertifzierung nicht erlaubt werde. Dies gelte aber nicht nur für Omniamed, sondern auch für alle anderen Anbieter, sagte ein Sprecher der Landesärztekammer.
Clever rief die Ärzte heute erneut dazu auf, ihre Ärztekammer zu kontaktieren, falls Fortbildungen nicht produktneutral erfolgen. „Ärztliche Fortbildung sollte unbedingt frei von kommerziellen Interessen und produktneutral sein; das ist unter anderem in unserer Fortbildungsordnung und in den Bundesärztekammer-Grundsätzen festgelegt“, sagte Clever. Er machte deutlich, dass immer wieder die Zertifizierung einzelner Veranstaltungen abgelehnt wird. Gründe sind demnach formaler Natur und Interessenkonflikte – also weil die fachliche Unabhängigkeit von Referenten nicht gewährleistet ist.
Deutschlandgeschäft aufgegeben
Die OmniaMed-Gruppe hat unterdessen das Deutschlandgeschäft aufgegeben, wie das Unternehmen auf seiner Internetseite mitteilt. Dass es einen Zusammenhang mit dem Ärger um die Zertifizierung von Fortbildungen gibt, schreibt das Unternehmen ausdrücklich nicht. Grund für den Rückzug seien die in Deutschland bestehenden Marktbedingungen, heißt es lediglich. Man wolle sich künftig voll auf internationale Aktivitäten konzentrieren. 18 Mitarbeiter von OmniaMed Deutschland sind von der Entscheidung betroffen.
Die Ärzteinitiative „MEZIS – Mein Essen zahl‘ ich selbst“ zeigte sich erfreut. Die Initiative hatte durch eine Omniawatch-Recherche auf Verknüpfungen von Omniamed und Pharmaindustrie hingewiesen. Mezis teilte damals mit, man habe sich die Interessenkonflikte bei Omniamed detailliert angesehen. Die Ergebnisse bezeichnete der Verein als „erschreckend“. Mehr als 90 Prozent der Referenten, die bei gesponserten Veranstaltungen Vorträge hielten, hatten demnach zuvor Gelder von den sponsernden Pharmafirmen erhalten, schrieb die Initiative im vergangenen Jahr. Die Sponsoringsummen für eine Tagesveranstaltung seien mit bis zu 200.000 Euro exorbitant hoch.
„Obwohl Omniamed noch Widerspruch gegen die Aberkennung einlegte, spricht die überraschende Geschäftsaufgabe für sich“, hieß es heute von MEZIS. Sie forderte erneut ein größeres CME-Fortbildungsangebot frei von Interessenkonflikten.
Zugleich teilte MEZIS mit, dass der Fortbildungsanbieter Esanum offenbar in die Fußstapfen Omniameds treten wolle. Daher habe man mittlerweile auch deren Veranstaltungskonzept analysiert. Demnach sei das Sponsoringkonzept von Omniamed und Esanum vergleichbar im Hinblick auf sponsernde pharmazeutische Unternehmen, deren Produktpalette und den Leistungsumfang.
Von 14 Vorträgen bei der ersten analysierten Esanum-Veranstaltung im März 2019 in Berlin würden acht Vorträge von ehemaligen Omniamed-Referenten mit weitgehend identischen Inhalten gehalten, hieß es. Fast alle Referenten hätten relevante, teils massive Interessenkonflikte und würden von den sponsernden Firmen bezahlt, so MEZIS. Sponsoringsummen um 100.000 Euro pro Veranstaltung ermöglichten es auch Esanum, die Veranstaltungen kostenfrei oder zu so günstigen Preisen anzubieten, dass andere CME-Fortbildungsanbieter, die ohne die Unterstützung der Pharmaindustrie fortbilden, unter dieser Marktverzerrung erheblich leiden würden.
„Die Ärztekammern sollten in allen Bundesländern, in denen Esanum auftreten will, wie die Baden-Württemberger entscheiden und auch Esanum die Rote Karte zeigen, um endlich die interessenkonfliktfreie ärztliche Fortbildung zu stärken“, sagte Niklas Schurig, MEZIS-Vorstandsmitglied.
Esanum weist Anschuldigungen als falsch zurück
Esanum teilte auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes mit, die Vorwürfe von MEZIS seien „größtenteils nicht korrekt“. Gründer und Geschäftsführer Tom Renneberg wies darauf hin, dass etwa das Fortbildungsprogramm „Hausarzt-Tag 2019“ inhaltlich fertiggestellt worden sei, bevor erste Sponsoren angesprochen wurden. Das mache eine Einflussnahme von Sponsoren auf das Programm von vornherein unmöglich. „Und das ist das Kernargument der MEZIS“, so Renneberg. Er betonte auch, das Programm sei unter Einbeziehung der Wünsche von Ärzten und unter Aufsicht eines Programmkomitees aus erfahrenen Hausärzten erstellt worden.
In Bezug auf das Sponsoringkonzept hieß es, dieses sei vergleichbar mit jedem Sponsoringkonzept eines medizinischen Fachkongresses. „Es mag nicht jedem plausibel erscheinen, warum ein Platinumsponsor mehr Geld ausgibt, um in allen Nennungen ganz oben und als erster genannt zu werden, aber so ist es nun mal – genau wie beim Kongress der medizinischen Fachgesellschaft“, so Renneberg. Er betonte, die Sponsoringsummen seien bei Esanum „genormt“. Das hochpreisigste Sponsoringpaket liege bei rund 24.000 Euro. Grundsätzlich sei es richtig, dass die Aussteller der Industrieausstellung gegen die Gesamtkosten so einer Veranstaltung laufen würden und somit die Eintrittspreise verringerten.
Interessenskonflikte sind transparent gemacht
Renneberg betonte auch, gute Referenten zu finden, die nicht schon einmal für ihren Vortrag auf einer Tagung ein Gehalt bezogen hätten, oder sich ihren Aufwand für die Teilnahme an einer klinischen Studie hätten vergüten lassen, sei schwer. Nahezu unmöglich sei dies, wenn Referenten dann noch gute Sprecher und Experten auf ihrem Fachgebiet sein sollten und für ihren Vortrag ebenfalls keine Vergütung beziehen würden.
Der Esanum-Geschäftsführer erläuterte, Interessenkonflikte seien daher nicht das Hauptkriterium bei der Auswahl der Referenten. „Meistens liegen die Tätigkeiten, für die die Referenten vergütet wurden, in der Vergangenheit. Ihnen eine Beeinflussung vorzuwerfen, grenzt an Verleumdung, ist in jedem Fall jedoch eine bloße Unterstellung“, sagte Renneberg.
Es sei zudem „naheliegend“, dass ein Referent mit vergüteten Tätigkeiten für viele verschiedene und zueinander in starker Konkurrenz stehende Unternehmen sehr ausgewogen informiert sein könne. „Insofern sehen wir da kein Problem. Es besteht Konsens in der Community der Fortbildungsveranstalter, dass sich Interessenkonflikte als solche nicht vermeiden lassen, sie können lediglich gemanagt werden, und zwar durch Transparenz“, so Renneberg. Diese biete man sowohl in den Vorankündigungen als auch in den ersten Folien der Vorträge.
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