Abschiebungen sorgen für Kritik bei Ärzten
Berlin – Die Ärzteorganisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/ Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) hat die für heute geplante erste Sammelabschiebung von 50 afghanischen Flüchtlingen als unvereinbar mit der Achtung der Menschenrechte kritisiert.
Medienberichten zufolge sollen auch kranke Geflüchtete abgeschoben werden. Auf der Liste steht laut IPPNW unter anderem ein afghanischer Hindu aus Hamburg. „Die Hindus sind eine in Afghanistan verfolgte Minderheit. Anfang Oktober 2016 hatten die EU und Deutschland im Zusammenhang mit einer Geberkonferenz mit Afghanistan eine Rücknahmevereinbarung geschlossen“, erklärte die Ärzteorganisation. Die Unterzeichnung des Abkommens durch die afghanische Regierung war Voraussetzung für neue Hilfszusagen. „Dieses Abkommen widerspricht allen humanistischen und demokratischen europäischen Werten“, urteilte die IPPNW.
Die Organisation warnt aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der schlechten medizinischen Versorgung vor den Gefahren für die Gesundheit und das Leben der Abgeschobenen. Insbesondere bei traumatisierten Menschen werde durch die Begegnung mit Krieg und Gewalt ein neues Trauma erzeugt, das zu einer lebensgefährlichen Verstärkung ihres Krankheitsprozesses führen könne, heißt es.
Sie werfen der Bundesregierung vor, Kampfhandlungen, die Verletzung von Menschenrechten und die besondere Gefährdung von Frauen und Kindern zu ignorieren. Die IPPNW weist auf die jüngsten Attacken der Taliban in Masar-i-Scharif und anderen nordafghanischen Städten hin. Diese hätten gezeigt, wie schnell als sicher eingestufte Regionen über Nacht zu hochgefährlichen werden können. Laut der aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Fraktion Die Linke zum „Krieg gegen den Terror“ galten Ende 2015 nur 14 von 123 Distrikten der neun Nordprovinzen als „kontrollierbar“. Nach Angaben von Pro Asyl gab es im ersten Halbjahr 2016 über 1.600 Tote und mehr als 3.500 Verletzte unter der afghanischen Zivilbevölkerung.
„Noch herrscht im Land Krieg. In diese Kriegssituation werden Menschen in die völlige Unsicherheit und Ungewissheit geschickt. Es werden menschenunwürdige Lebensumstände, Hunger und Tod der Deportierten in Kauf genommen. Das ist Unrecht und verstößt gegen alle internationalen Vereinbarungen für Geflüchtete,“ erklärte der IPPNW-Arzt Ernst-Ludwig Iskenius.
Die IPPNW begrüßt, dass sich sechs Bundesländer – Brandenburg, Bremen, Berlin, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Schleswig-Holstein – gegen die Pläne der Bundesregierung gestellt haben und appelliert an die übrigen Bundesländer, sich nicht an Abschiebungen nach Afghanistan zu beteiligen.
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