Abwarten kann auch bei symptomatischer Gallensteinerkrankung sinnvolle Option sein

Aberdeen/Köln – Die genaue Indikation und der richtige Zeitpunkt für eine Gallenblasenentfernung ist eine Grauzone – darauf weisen Stefan Sauerland vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und Ralf Langenbach vom Evangelischen Krankenhaus Lippstadt in einem Editorial im British Medical Journal hin (2023, DOI: 10.1136/bmj.p2624).
Anlass für das Editorial war eine große vergleichende Studie namens C-GALL, deren Ergebnisse ebenfalls im BMJ vorgestellt wurden (2023, DOI: 10.1136/bmj-2023-075383).
In dieser Studie wurde bei Erwachsenen mit unkompliziert symptomatischen Gallensteinen gemäß zufälliger Zuteilung entweder die Gallenblase minimalinvasiv entfernt oder konservativ behandelt. Da die Ergebnisse zu Schmerzen, Lebensqualität und Komplikationsraten nach einem Studienjahr in beiden Gruppen ähnlich waren, schlussfolgern die Autorinnen und Autoren der Studie, dass die konservative Behandlung eine vertretbare Option für Patienten mit unkomplizierten symptomatischen Gallensteinen sei und bei bestimmten Patienten sogar vorzuziehen sein könnte.
Auch Sauerland, Leiter des IQWiG-Ressorts nicht-medikamentöse Verfahren, und Langenbach, Leiter der Klinik für Allgemein-, Viszeralchirurgie und Koloproktologie des Evangelischen Krankenhauses Lippstadt, plädieren in dem Editorial für eine zurückhaltende Behandlung mit individueller Risikoabwägung.
In manchen Fällen ist laut den beiden Experten die rasche Entfernung der Gallenblase die beste Lösung. Abhängig von individuellen Risikofaktoren und Patientenwunsch sei aber bei vielen Patientinnen und Patienten eine konservative Behandlung zumindest einen Versuch wert. Die Operation als Standardlösung für ein Gallensteinleiden sei keine gute Idee – insbesondere nicht bei weniger schweren und atypischen Symptomen, weil hier eine Operation zum Teil keine Symptomverbesserung ermögliche.
Bemerkenswert an der C-GALL-Studie zur Gallenblasenentfernung ist laut dem Editorial auch, dass diese im Rahmen des britischen Health Technology Assessment-(HTA)-Programms finanziert wurde. Das IQWiG als deutsche HTA-Organisation verfüge kaum über Möglichkeiten, um bedeutsame Gesundheitsfragen durch klinische Studien beantworten zu lassen.
„Es ist schade, dass wir immer wieder relevante Lücken im medizinischen Wissen feststellen, für das Schließen dieser Lücken aber keine Handlungsoptionen in den Händen halten“, kommentiert Sauerland diese Situation.
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