ADHS: Therapie senkt Kriminalitätsrate
Stockholm – Eine medikamentöse Therapie könnte dazu beitragen, dass Patienten mit der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) seltener mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Dies zeigt eine Studie im New England Journal of Medicine (2012; 367: 2006-2014).
In Schweden ist jeder dritte männliche ADHS-Patient (36,6 Prozent) und jede sechste weibliche ADHS-Patientin (15,4 Prozent) im Alter über 15 Jahren schon einmal wegen einer Straftat verurteilt worden. Die Kriminalitätsrate liegt damit deutlich über dem Durchschnitt für gleichaltrige Männer (8,9 Prozent) und für gleichaltrige Frauen (2,2 Prozent). Diese Beobachtung der Arbeitsgruppe um Henrik Larsson vom Karolinska Institut in Stockholm, der die Daten von mehr als 25.000 schwedischen Patienten ausgewertet hat, deckt sich mit den Erfahrungen aus anderen Studien. So soll ein substanzieller Anteil der Gefängnisinsassen an einem AHDS leiden.
Larsson konnte in seiner Untersuchung die Verordnung von ADHS-Medikamenten mit dem Datum der Gerichtsurteile in Beziehung setzen, was in skandinavischen Ländern wegen der persönlichen Identifikationsnummer leicht möglich ist. Auf diese Weise kann Larsson zeigen, dass medikamentös therapierte AHDS-Patienten seltener straffällig werden als unbehandelte AHDS-Patienten.
Mehr noch: Während der Zeit, in der ein Patient seine Rezepte einlöst und vermutlich auch die Medikamente einnimmt, sinkt bei Männern das Risiko einer rechtskräftigen Verurteilung um 32 Prozent (adjustierte Hazard Ratio HR 0,68; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,63-0,73). Bei Frauen nahm die Kriminalität während der Therapiephasen sogar um 41 Prozent ab (HR 0,59; 0,50-0,70). In allen Sensitivitäts-Analysen, die die Art der Medikamente (Stimulanzien oder Nicht-Stimulanzien) oder die Art des Verbrechens variierten, wurde unter der Therapie immer eine Reduktion der Verurteilung um 17 bis 46 Prozent ermittelt.
Da die Therapiepausen in der Regel den Verurteilungen vorausgingen, kann Larsson eine reverse Kausalität ausschließen, nach der die Patienten keine Medikamente mehr eingenommen hatten, weil sie im Gefängnis saßen oder aus anderen Gründen keine Rezepte mehr einlösten konnten. Auch andere dritte Faktoren, etwa ein Alkoholexzess, der zur Straftat führt und gleichzeitig die Therapiedhärenz herabsetzt, scheidet als Erklärung wohl aus.
Denn für die Verordnung von Antidepressiva fand Larsson keine Assoziation mit der Kriminalitätsrate. Dennoch kann eine retrospektive Analyse Verzerrungen durch „Confounder“ niemals völlig ausschließen. Dies geht bis zu der etwas absurden Möglichkeit, dass die Medikamente den AHDS-Patienten helfen könnten, nach einer Straftat nicht erwischt zu werden.
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