ÄK Nordrhein mahnt Maßnahmen gegen Arzneimittelengpässe an

Düsseldorf – Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNO) hat den Gesetzgeber aufgerufen, konkrete Maßnahmen zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Impfstoffen anzugehen. In ihrer jüngsten Sitzung verabschiedete sie einstimmig eine entsprechende Resolution.
Ende Oktober 2019 hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mehr als 260 versorgungsrelevante Arzneimittel und Medizinprodukte mit einem Lieferengpass registriert und gelistet. „Dank dieser Liste können zwar kurzfristig auf nationaler Ebene Umgehungsstrategien geplant werden. Aber damit sind die Ursachen der Lieferengpässe nicht gelöst“, heißt es in der Resolution.
Zu den Ursachen zählen nach Angaben von Rudolf Henke Rabattverträge und dem damit verknüpften Vergabekriterium des Niedrigpreises. „Damit diese Preise zustande kommen, weichen Hersteller in Niedriglohnländer im asiatischen Raum aus, ohne dass hier eine Überprüfung und Qualitätskontrolle der Herstellungsprozesse, der verarbeiteten Stoffe, der Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter oder eine Garantie der Lieferqualität bestehen“, kritisierte der ÄKNO-Präsident. Das könne so nicht weitergehen.
„Wenn versorgungsrelevante Arzneimittel in der Apotheke nicht mehr zu haben sind, dann weicht man zwangsläufig auf andere Präparate mit identischem Wirkstoff aus, die sich aber von ihren pharmazeutischen Eigenschaften wie Tablettengröße, Teilbarkeit oder Farbe erheblich unterscheiden können“, sagte Henke. Das sei besonders für chronisch Kranke und alte Menschen, die von den permanenten Wechseln am häufigsten betroffen sind, ein Problem. Denn mit dem Austausch können sich gewohnte Dosierungsanleitungen ändern und es kann zu unsachgemäßer Anwendung kommen.
Das rheinische Ärzteparlament forderte daher, die Ursachen der Lieferengpässe zu bekämpfen. Zudem sollten nationale Arzneimittelreserven für versorgungsrelevante Medikamente aufgebaut und die Vorhaltepflichten ausgeweitet werden, um bei Lieferengpässen kurzfristig Abhilfe schaffen zu können. Rabattverträge sollten dahingehend reformiert werden, dass sie mindestens zwei Wirkstoffquellen und drei Hersteller nennen müssen. Langfristig bedürfe es strategischer Überlegungen, Produktionsstandorte aus dem Ausland wieder zurück in die EU zu holen.
Modellversuche für Grippeimpfungen „unschön“
Darüber hinaus begrüßte Henke ausdrücklich das vom Bundestag verabschiedete Masernschutzgesetz. Der Kammerpräsident ist davon überzeugt, dass die Impflücken geschlossen werden können. Denn künftig könne jeder Arzt und damit auch jeder Betriebsarzt impfen und diese Leistung mit der Krankenkasse abrechnen.
Auch seien viele von der Ärzteschaft formulierte Forderungen wie die stärkere Einbeziehung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) und das fachübergreifende Impfen in das Gesetz aufgenommen worden. Jetzt müsse das Gesetz klug umgesetzt werden, etwa durch den Einsatz von Recall-Systemen, die Einführung des digitalen Impfpasses und das Impfen in Betrieben.
Als „unschön“ bezeichnete Henke die Modellversuche für Grippeimpfungen durch Apotheker, die das Masernschutzgesetz künftig möglich macht. Der ÄKNO-Präsident hält diese Regelung für falsch, da zum Impfen nicht nur der „Piecks, sondern auch die richtige Indikationsstellung“ gehöre. Das würden auch viele Apotheker so sehen. In Nordrhein sei sich die Ärztekammer mit dem Präsidenten der Apothekerkammer einig, bei der bewährten Aufgabenteilung zu bleiben, zumal die Berufsordnung der Apotheker die angekündigten Modellversuche zurzeit nicht zulasse.
Henke berichtete zudem, dass er wegen seines Eintretens für die Impfpflicht massiven Beschimpfungen ausgesetzt gewesen sei. Dabei sei er auch von Kollegen angegangen worden. Wolfgang Klingen forderte daraufhin unter dem Applaus der Kammerversammlung, Hass-Mails und Hass-Kommentare in digitalen Netzwerken und Messenger-Diensten künftig berufsrechtlich zu ahnden.
Klima bekommt mehr Aufmerksamkeit
Die Kammerversammlung beschloss am Wochenende auch, dass sich die Ärzte im Rheinland künftig in Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie in der medizinischen und interprofessionellen Forschung stärker als bisher mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Menschen beschäftigen. „Teil unserer ärztlichen Verantwortung ist auch der Einsatz dafür, dass die Einrichtungen des Gesundheitswesens selbst ihre Energie- und Klimabilanz substantiell verbessern“, heißt es in einer Resolution.
„Der Klimawandel wird die Gesundheitssysteme weltweit vor große Herausforderungen stellen. Wir müssen uns mit dessen Folgen sowohl im eigenen Land, aber auch weltweit beschäftigen“, betonte Rudolf Henke.
Nach Ansicht des ÄKNO-Präsidenten bedeutet eine Zunahme von Umweltkatastrophen nicht nur einen gesundheitlichen Notfall in den betreffenden Regionen, sondern es erhöht sich potenziell zunächst regional und dann überregional auch das Risiko von Ausbrüchen übertragbarer Krankheiten.
Auf einem wärmeren Planeten könnten sich beispielsweise auch Krankheiten, die durch Tiere übertragen werden, in neue Gebiete ausbreiten. „Darauf müssen wir uns einstellen, entsprechendes Wissen aufbauen und Frühwarnsysteme etablieren.“
Henke kündigte an, „einen Ad-hoc-Ausschuss“ der ÄKNo einrichten zu wollen, der sich mit dem Thema „Klimawandel und Gesundheit“ beschäftigen soll. Er soll im Hinblick auf den 123. Deutschen Ärztetag im kommenden Jahr in Mainz „für uns antragsfähige Vorschläge und Positionen vorbereiten“.
Datenweitergabe nur mit informiertem Einverständnis
Darüber hinaus appellierte der Kammerpräsident erneut an die Mitglieder der Kammerversammlung, die Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht „Konzernen und Informatikern“ zu überlassen. Ärztliche Grundsätze dürften nicht dem enormen Tempo geopfert werden, mit dem Digitalisierung voranschreiten werde. „Die digitale Medizin von morgen wird schlechter sein ohne unseren fachlichen Input und ohne ethisch-moralischen Rahmen, für den wir stehen“, ist Henke überzeugt.
Dementsprechend plädierte die Kammerversammlung in einer Resolution dafür, dass Daten auch zu Forschungszwecken nur mit dem informierten Einverständnis der Betroffenen und nicht zu kommerziellen Zwecken weitergegeben werden dürfen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: