Vermischtes

Ärger um Katastrophenschutz: Übung in Berlin abgebrochen

  • Montag, 4. November 2024
Darsteller sitzen in einem Übungsszenario für die Katastrophenschutzübung auf dem Boden vor der Hochschule für Wirtschaft und Recht/picture alliance, dpa, Kay Nietfeld
Darsteller sitzen in einem Übungsszenario für die Katastrophenschutzübung auf dem Boden vor der Hochschule für Wirtschaft und Recht /picture alliance, dpa, Kay Nietfeld

Berlin – Eine unangekündigte Katastrophenschutzübung in Berlin hat Schwächen beim spontanen Einsatz von Hilfsorganisationen deutlich gemacht. Nach mehrstündigen Verspätungen in der Reaktion auf einen ange­nommenen Chemieunfall mit Dutzenden Toten wurde der Praxistest schließlich abgebrochen.

Es habe Schwierigkeiten gegeben, freiwillig organisierte Dienste ausreichend zu mobilisieren, sagten Behör­den­ver­treter, die den vorher geheim gehaltenen Ablauf beobachteten. Der Übungsleiter Philipp Cachée er­klärte, es seien Probleme deutlich geworden, aber auch Erkenntnisse gewonnen worden.

Mit der bislang so nicht geübten Einsatzlage stellen die Behörden Vorgestern die Handlungsfähigkeit bei einem Szenario „Massenanfall an Verstorbenen“ auf den Prüfstand. In dem Übungsszenario waren Helfer mit der Herausforderung konfrontiert, dass es bei einem chemischen Unfall knapp 70 Betroffene gibt, von denen am Ende mehr als die Hälfte stirbt.

Geplant war, dass in der Folge auch Technik zur Dekontamination sowie die Aufbewahrung von Leichen in gro­ßer Zahl getestet wird. Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichtsmedizin, Bestattungsunternehmen, das Gesund­heits­amt, die Landespolizei und die Bundeswehr waren als Beobachter vor Ort oder hätten im weiteren Verlauf der Übung eine Rolle spielen sollen.

Wer nicht in der engeren Übungszone erschien, waren die alarmierten Retter. Die Übung stand am Rande eines Eklats wegen Streitigkeiten, bei denen es um die Verfügbarkeit von Kräften ging, die später in anderen Einsät­zen – darunter die Betreuung eines Fußballspiels der zweiten Bundesliga – gebunden waren.

Dabei war alles vorbereitet, um eine möglichst lebensnahe Übung zu gewährleisten. Vor und in dem Gebäude einer Hochschule in Friedrichsfelde lagen Freiwillige, die Opfer darstellen sollten.

Sie hatten zuvor Aufgabenzettel erhalten, mit Vorgaben zum weiteren zeitlichen Ablauf, ihren vermeintlichen Symptomen und dem Zeitpunkt eines angenommenen Todes. Die Darsteller standen wegen der langen Warte­zeit von etwa drei Stunden schließlich mehrfach auf, um sich dann wieder in Position zu bringen.

„So ein Szenario ist in den letzten Jahrzehnten in der ganzen Bundesrepublik noch nirgends beübt worden“, hatte Cachée, der Katastrophen- und Zivilschutzbeauftragte des Bezirksamts Berlin-Lichtenberg, zum Auftakt der Übung gesagt.

Das Berliner Katastrophenschutzgesetz schreibt den Bezirken jährliche Übungen vor, um „die unverzügliche Einsatzbereit­schaft ihrer Einsatzkräfte sowie das Zusammenwirken mit anderen Katastrophenschutzbehörden und den Mitwirkenden im Katastrophenschutz zu erproben“.

Als Beobachter beteiligte Sicherheitsbehörden erklärten, wenn Kräfte wie die Berufsfeuerwehr, Polizei oder auch die Bundeswehr in Amtshilfe getestet würden, sei ein ganz anderes Ergebnis und kurzfristige Reaktion auf eine Lage zu erwarten.

Darauf war allerdings bewusst verzichtet worden, um den sogenannten Grundschutz in Berlin nicht zu be­schränken und weil eine Abstützung auf Freiwilligenorga­nisa­tionen in großen Lagen getestet werden sollte.

Wegen der veränderten Sicherheitslage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, aber auch nach Unwet­ter­katastro­phen wie dem Hochwasser der Ahr haben Polizei, Rettungsdienste und die Bundeswehr Konzepte für eine engere, abgestimmte Zusammenarbeit erarbeitet.

Beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wurde ein Gemeinsames Kompetenz­zentrum Bevölkerungsschutz von Bund und Ländern eingerichtet.

Um den Katastrophenschutz müssen sich in Deutschland die Länder kümmern. Für den Schutz der Bevölke­rung im Kriegs- oder Spannungsfall ist der Bund zuständig. Allerdings können die Länder bei schweren Un­wettern oder anderen Katastrophen Unterstützung vom Bund anfordern, etwa durch die Bundeswehr oder die Bundespolizei.

Um die Alarmierung der Bevölkerung im Krisenfall zu üben, gibt es einmal im Jahr einen bundesweiten Warn­tag, bei dem das BBK den Probealarm auslöst, der dann Handys schrillen lässt und in einigen Regionen auch von Sirenengeheul begleitet wird.

Von der bundesweiten Übung „Lükex“, die das Bundesamt regelmäßig abhält, bekommt die Bevölkerung aller­dings praktisch nichts mit. Denn hier üben die Katastrophen­schützer und Behördenmitarbeiter lediglich, wer im Ernstfall was wie organisieren muss – etwa bei einem Cyberangriff oder im Falle einer Pandemie.

dpa

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