Ärzte drängen weiter auf extrabudgetäre Vergütung der Kinder- und Jugendmedizin

Berlin – Mit der Reform der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) soll via Änderungsantrag die allgemeine Kinder- und Jugendmedizin entbudgetiert werden. Der offizielle Änderungsantrag der Ampelkoalition lag heute dazu bis zur öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags nicht vor. Gestern hatte die Union einen Antrag vorgelegt, der auch die spezielle Kinder- und Jugendmedizin miteinbinden will. Von der Ärzteschaft wird das begrüßt.
Wann die Anträge der Ampelkoalition offiziell eingereicht werden sollen, ist derzeit noch unklar. Dem Vernehmen nach soll es in der Frage einen Streit zwischen FDP und SPD geben. In Berichterstattergesprächen wollen die Ampelkoalitionäre den Zwist beilegen, hieß es aus gut informierten Kreisen.
Thema war die Entbudgetierung in der Anhörung heute dennoch, sie stand aber nicht im Fokus. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), erklärte auf Nachfrage des FDP-Abgeordneten Lars Lindemann, die Entbudgetierung sei „kein Hexenwerk“.
Lindemann kommentierte den Streit innerhalb der Koalition mit einer spitzen Bemerkung am Rande: „Wie der Minister schon sagte: ,Wir werden die Praxen in der Kinder- und Jugendmedizin komplett entbudgetieren' und daran fühlen wir uns in der Ampelkoalition auch gebunden.“
Der übliche Weg geht Gassen zufolge über eine Bereinigung der Leistungen aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) und die Vergütung sollte dann je erbrachter Leistung extrabudgetär erfolgen. Das sei „vielfach erprobt“ und käme dem Versprechen des Bundesgesundheitsministers für eine Entbudgetierung der Kinder- und Jugendärzte am nächsten, sagte der KBV-Chef.
Mit der extrabudgetären Vergütung (EGV) wäre gewährleistet, dass die Leistungen der Kinder- und Jugendmediziner „vollumfänglich zu 100 Prozent bezahlt würden“. Die KBV hatte bereits mehrfach das Vorhaben an sich gelobt, aber den Weg bemängelt und darauf hingewiesen, dass die extrabudgetäre Vergütung der richtige Weg sei.
Gassen führte auch heute aus, dass ein Hin- und Herschieben innerhalb der MGV nicht zielführend wäre, auch weil unklar sei, wann das Geld bei den Ärzten ankomme. Richtig sei daher nur der Weg über die EGV. Dabei gebe es auch „keine Intransparenzen“. Leistung, die nicht erbracht würden, würden nicht vergütet.
Er erläuterte auch, dass die Kolleginnen und Kollegen der Kinder- und Jugendmedizin ohnehin schon gut ausgelastet seien. Wenn man sie ermuntern wolle, „noch eine Schippe drauf zu legen“, könne es nur den Weg über die EGV geben. Für Gassen bildet der Antrag der Union die Wünsche der Vertragsärzte weitgehend ab. Dieser sei „handwerklich gut“ gemacht, so Gassen.
Der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) hingegen hält den Weg über die Bereinigung innerhalb der MGV für „gangbar“, wie GKV-SV-Vorstand Gernot Kiefer heute in der Anhörung erklärte. Gassen habe seiner Meinung nach übersehen, dass extrabudgetäre Regelungen aus der Vergangenheit zum bürokratischen Chaos geführt hätten. Der Weg über die MGV stelle „ziemlich sicher“, dass eine Entbudgetierung unbürokratische möglich sei, so Kiefer.
Kinderärzte wollen schnelle Lösung
Reinhard Bartezky, Landesverbandsvorsitzender Berlin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), mahnte vor allem eine schnelle Lösung an. „Es geht uns darum, auch in Zukunft jungen Familien einen Kinder und Jugendarzt finden zu lassen“, sagte er. Eine schnelle Einigung sei daher vonnöten.
Aus Sicht des BVKJ braucht es eine klare und einfache Regelung. Man wolle ein „klares Verfahren“ und „vielleicht einmalige Verhandlungen“. Bei quartalsweisen Verhandlung mit den Krankenkassen fürchtet Bartezky Streitigkeiten. Der Pädiater stellte sich auch hinter den Antrag der Union, der im Gegensatz zu den bisherigen Regierungsplänen vorsieht, die speziellen Leistungen der Kinder- und Jugendmedizin zu entbudgetieren. Die Gelegenheit sei da, „auch die fachärztliche Pädiatrie“ einzubeziehen, erklärte Bartezky.
Umfassender Protest kam heute erneut vom Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (Spifa). Dieser kritisierte per Mitteilung zum wiederholten Mal das von der Bundesregierung angestrebte Verfahren für die „sogenannte Entbudgetierung der Kinder- und Jugendmedizin. Auch bemängelt er die Nichtberücksichtigung pädiatrischer Facharztgruppen.
„An diesem Gesetzesentwurf zeigt sich ganz deutlich, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach und die Ampelparteien meilenweit von einer realen Auseinandersetzung mit der Budgetierung vertragsärztlicher Leistungen entfernt sind und die Auswirkung der Budgetierung auf die Gesundheitsversorgung in Deutschland einfach nicht sehen wollen“, sagte der Spifa-Vorstandsvorsitzende Dirk Heinrich. Entbudgetierung sei von dieser Bundesregierung nicht gewollt, wenn auch medial wirksam anders behauptet.
Nur so ließe sich erklären, weshalb die Entbudgetierung der Kinder- und Jugendmedizin mittels eines umständlichen, bürokratisch aufwendigen Verfahrens erfolgen solle, anstatt alle Leistungen der allgemeinen und speziellen Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung herauszunehmen und in die extrabudgetäre Vergütung mit Hilfe einer einfachen Bereinigungsvorschrift zu überführen.
Der Spifa sieht in diesem Handeln auch eine bewusste Nichtumsetzung des Koalitionsvertrages. So sei es auch nicht nachvollziehbar, warum sich die im Koalitionspapier vereinbarte Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen weder in der Vorhabenplanung des Gesundheitsministers wiederfinde, noch direkt Einzug in die Gesetzgebung zusammen mit dem Entbudgetierungsvorhaben der Kinder- und Jugendärzte gefunden habe.
Kritik übt der Spifa auch, weil im Gesetzesentwurf pädiatrisch behandelnde Facharztgruppen nicht berücksichtigt werden. Es sei unverständlich, weshalb die Regelung nicht auch für alle Facharztgruppen gelten solle, die Patienten behandelten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, so Heinrich. Das betreffe neben den Hausärztinnen und Hausärzten auch weitere Facharztgruppen.
Entsprechend begrüßt der Spifa ausdrücklich den gestern von der CDU eingebrachten Änderungsantrag zum Gesetzesentwurf. Dieser bezieht zumindest die rund 1.500 Fachpädiater mit ein und erkennt zugleich an, dass das eigentliche Ziel der Entbudgetierung auch anders zu erreichen ist als im bisher bekannten Entwurf der Ampelregierung vorgesehen.
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