Ärzte kritisieren Ländervergleich mit fragwürdigen Daten

Berlin – Befremdet über eine Berechnung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG haben sich die Bundesärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), und der NAV-Virchowbund geäußert. Die KPMG-Untersuchung ist in den Zeitungen Die Welt und Welt am Sonntag erschienen. Dort heißt es, Deutschland weise unter 24 europäischen Gesundheitssystemen sehr hohe Ausgaben auf, Ärzte und vor allem Kliniken lieferten aber nur mittelmäßige Leistungen. „Qualität der Versorgung steht für die Kliniken und die Klinikträger an erster Stelle. Es muss Schluss damit sein, dass irgendwelche Akteure mit fragwürdigen Statistiken Patienten verunsichern“, sagte der DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.
Bei der KPMG-Untersuchung handelt es sich um eine für die beiden Zeitungen aufbereitete Aktualisierung der Untersuchung „Qualität und Wirtschaftlichkeit im deutschen Gesundheitssystem“ aus dem Jahr 2013. Auf Basis der dort verfügbaren Zahlen und dem OECD Gesundheitsreport 2013 „Health at a Glance“ errechnet KPMG ein Ranking der europäischen Länder in den Bereichen gesundheitsbewusstes Verhalten, Versorgungsqualität, Ergebnisqualität sowie Struktur- und Prozessqualität. Die effizientesten Gesundheitssysteme haben danach Luxemburg, Island, Schweden und Norwegen, Deutschland rangiere im unteren Mittelfeld.
"Fragwürdige internationale Vergleichstudien"
„Wir zweifeln an, dass die Datenbasis aus Gesundheitssystemen wie beispielsweise dem Tschechischen ausreicht, um valide Vergleiche zur Qualität der Versorgung treffen zu können“, sagte Baum.
„Wir sollten nicht nur über Qualität in der Patientenversorgung sprechen, sondern auch über die Qualität teilweiser höchst fragwürdiger internationaler Vergleichsstudien“, schreibt der Kommunikationschef der Bundesärztekammer, Alexander Dückers in einem Leserbrief an die Welt am Sonntag. Diese Studien krankten häufig „an völlig unzureichenden Vergleichsparametern“.
Dückers weist in diesem Zusammenhang auf den sogenannten Versorgungsatlas der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie hin. Darin haben Wissenschaftler internationale Vergleichsdaten über mehrere Jahre kritisch untersucht und kommen zu dem Ergebnissen, dass die zum Vergleich herangezogenen Zahlen aus internationalen amtlichen Datenquellen eine sehr heterogene Qualität aufweisen, zum Beispiel fehle zum Teil die Altersbereinigung. Außerdem seien die Kodiersysteme international unterschiedlich. „Während in der Gesundheitsversorgung Instrumente der Qualitätssicherung seit Jahren eine Selbstverständlichkeit sind, scheint dies für internationale Gesundheitsrankings nicht zu gelten“, so Dückers Fazit.
„KPMG reduziere das deutsche Gesundheitswesen auf eine reine Kosten-Nutzen-Rechnung“, kritisierte der Bundesvorsitzende des NAV-Virchow-Bundes, Dirk Heinrich. Gerne verwiesen die Wirtschaftsprüfer auf die vermeintlich besseren nordischen Länder, ließen dabei aber außer Betracht, dass es dort teils erheblich längere Wartezeiten und erste Ansätze von Rationierung medizinischer Leistungen gebe, so Heinrich.
Deutschland habe im OECD-Vergleich hingegen zusammen mit der Schweiz die niedrigsten Wartezeiten bei Facharztüberweisungen und bei Operationsterminen im Krankenhaus. „Die KPMG entwirft ein Gesundheitssystem am neoliberalen Reißbrett, unser Gesundheitswesen sieht anders aus“, erklärte Heinrich.
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