Ausland

Ärzte ohne Grenzen warnt vor Generalverdacht gegen ehrenamtliche Helfer

  • Mittwoch, 3. Mai 2017

Rom/Genf/Berlin – Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen wehrt sich gegen unbewie­sene Vorwürfe, nach denen ehrenamtliche Seenotretter auf dem Mittelmeer mit Schlep­pern gemeinsame Sache machten. Hintergrund sind Äußerungen des sizilianischen Staatsanwalts Carmelo Zuccaro in der vergangenen Woche in verschiedenen Medien.

Seiner Ansicht nach könnten einige ehrenamtliche Helfer von Schleppern finanziert sein. Er äußerte außerdem die Vermu­tung, dass sie Migranten nach Italien brächten, um die Wirtschaft des Landes zu schwächen. Er berufe sich auf Daten der EU-Grenzschutz­agen­tur Frontex, sagte der Ermittler aus dem sizilianischen Catania heute in einer mehr­stündigen Anhörung vor einer Kommission im italienischen Senat.

Staatsanwalt macht drei Hauptvorwürfe

„Ich bin im Besitz von Daten von Frontex und der italienischen Marine“, so Zuccaro. Die Informationen wiesen außerdem auf „äußerst unklare Beziehungen“ zwischen kleinen Hilfswerken und nicht identifizierten Personen aus Libyen hin. Der Staatsanwalt äußerte drei Hauptvorwürfe gegen einige Organisationen: unbefugt in libysche Gewässer zu fah­ren, Anrufe aus Libyen entgegenzunehmen, um möglicherweise die Aufnahme von Mi­gran­ten zu arrangieren, und Funksender auszuschalten, um ihren Standort zu ver­ber­gen.

Allerdings richtete Zuccaro seine Vorwürfe ausdrücklich nicht gegen große Organisa­tio­nen wie Save the Children oder Ärzte ohne Grenzen. Letztere wurde nach eigenen Anga­ben auch bislang noch nicht von der Staatsanwaltschaft kontaktiert. „Aber die Hetzkam­pagne hat Ärzte ohne Grenzen genauso getroffen wie die anderen“, sagte der Präsident von der italienischen Sektion des Hilfswerkes, Loris De Filippi, nach einer Anhörung in Rom. Er sprach von Kriminalisierung der Nichtregierungsorganisationen für politische Zwecke. „Tagtäglich müssen wir einen schändlichen Berg an Müll über uns ergehen lassen“, sagte er.

„Ärzte ohne Grenzen steht nicht im Verdacht, etwas falsch gemacht zu haben, aber wir sind sehr besorgt wegen der wiederholten und unbewiesenen Anschuldigungen gegen Hilfswerke“, sagte Aurélie Ponthieu, Expertin für Flucht und Migration bei Ärzte ohne Grenzen. Die Anschuldigungen hätten bislang nicht zu offiziellen Ermittlungen geführt. Sie könnten jedoch dazu führen, dass weniger Schiffbrüchige auf dem Mittelmeer geret­tet werden, warnte sie. Die Diskussion lenke außerdem davon ab, dass Europa bislang keine strukturierte Suche und Rettungswege für die Flüchtlinge installiert habe. „Men­schen ohne Alternative werden weiterhin diese Reise auf sich nehmen und Ärzte ohne Grenzen wird weiterhin dort sein, um Leben zu retten“, betonte sie.    

Seit 2015 hat das Hilfswerk nach eigenen Angaben 60.390 Menschen im Mittelmeer ge­rettet. Die Hilfsorganisation fordert legale Fluchtwege nach Europa, damit sich die Mi­gran­ten nicht mehr in die Hände von Schleppern begeben.

hil

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