Ärzte sehen großen Weiterbildungsbedarf bei Künstlicher Intelligenz

Berlin – Die Mehrheit der Ärzte in Deutschland hält Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin künftig für unverzichtbar, sieht aber einen großen ungedeckten Informationsbedarf. Kassenärztliche Vereinigungen wie jene in Berlin (KV Berlin) wollen dem mit neuen Weiterbildungsangeboten begegnen.
Ein Drittel der Ärztinnen und Ärzte hierzulande setzt KI-Anwendungen bereits ein, vor allem in den Bereichen Bildgebung, Diagnostik und Dokumentation, wie eine aktuelle Umfrage zeigt, für die der Verein Gesundheitsstadt Berlin und Doctolib knapp 300 Ärzte befragt haben.
„In den Praxen wird KI oft angewandt, ohne dass man weiß, dass es sich um KI handelt“, erklärte bei der Vorstellung der Befragung die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Berlin, Christiane Wessel. Insbesondere Anwendungen zur Terminbuchung oder Sprachassistenten würden sich wachsender Beliebtheit erfreuen, aber auch bei der Anamneseerfassung seien KI-basierte Anwendungen auf dem Vormarsch.
Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie KI als unverzichtbar für die Zukunft der Medizin, als Schlüssel zur Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung und zur Entlastung der Praxen ansehen.
Als KI-Anwendungsbereiche, von denen künftig am meisten Nutzen erwartet wird, wurden Entlastung bei administrativen Aufgaben (82 Prozent), Unterstützung bei der Diagnostik (72 Prozent), Qualitätsverbesserung durch leitliniengerechte Behandlung (53 Prozent) sowie eine Stärkung der personalisierten Medizin (35 Prozent) genannt.
„Demografischer Wandel heißt höhere Fallzahlen, weniger Fachkräfte und mehr chronisch Erkrankte. Es ist daher unausweichlich, dass wir neue Wege gehen müssen und mehr Effizienz im Gesundheitswesen, auch durch digitale Anwendungen, KI und Telemedizin erzielen müssen. Alternativen dafür sehe ich nicht“, zitieren die Autorinnen und Autoren der Erhebung dazu Karsten Braun, Vorsitzender KV Baden-Württemberg.
Ebenfalls zwei Drittel der Befragten gehen davon aus, dass KI dazu beitragen wird, den Fachkräftemangel durch die Automatisierung bürokratischer Tätigkeiten zu entschärfen. Allerdings gibt es sowohl aufseiten der Ärzte als auch der Medizinischen Fachangestellten (MFA) noch einen erheblichen Informationsbedarf.
80 Prozent gaben an, sich mehr Aufklärung und Fortbildung zu wünschen, um einen sicheren Umgang mit KI gewährleisten zu können. Die KV Berlin nehme diesen Bedarf ebenfalls wahr, betonte Wessel, und verwies auf die KV Westfalen-Lippe, die vergangenes Jahr zum ersten Mal eine Fortbildung zur Digi-Managerin für die Etablierung von Digitalisierungsbeauftragten in Arztpraxen und psychotherapeutischen Praxen angeboten hat, die sich an sich nicht ärztliches Praxispersonal richtet.
„Wir haben uns das abgeschaut und wollen etwas ähnliches in Berlin umsetzen“, erklärte Wessel. „Das ist eines der Themen, die wir ganz aktiv ansteuern werden.“ Das Thema KI solle schon in naher Zukunft im Rahmen der Weiterbildung von MFA verstärkt abgebildet werden.
Die größten Bedenken bestehen bei den befragten Ärztinnen und Ärzten beim Thema Haftung – diesbezügliche Risiken fürchten etwa 60 Prozent. Sorgen bereiten auch die Aspekte eines befürchteten Kontrollverlusts (40 Prozent) sowie der Implementierungsaufwand (37 Prozent).
Die Ärzteschaft müsse sich verstärkt damit befassen, welche Auswirkungen die Etablierung von KI auf ihre Auswirkungen haben werde, forderte der Präsident der Ärztekammer Berlin, Peter Bobbert. „Für mich ist es keine Frage, ob KI Ärzte ersetzen wird, denn das passiert ja jetzt schon“, sagte er. So sei beispielsweise bei Diagnose-Apps in der Dermatologie bereits zu erkennen, dass der ärztliche Teil der Arbeit immer geringer wird.
In den kommenden Jahren werde es in diesem Bereich immer mehr Angebote geben, die so gut seien, dass Patienten zunehmend auf eine ärztliche Perspektive verzichten würden, weil die Apps – trotz möglicherweise anfallender Kosten – schneller und einfacher zu handhaben seien als ein Termin beim Facharzt.
Dabei würden Ärzte nicht überflüssig, sondern diejenigen, die effizient und sicher mit KI umgehen könnten, würden jene verdrängen, die das nicht beherrschten, betonte Bobbert. Dennoch müssten sich Ärzte auf einen Wandel ihrer Rolle einstellen.
„Das Wissen ist jetzt nicht mehr Alleinstellungsmerkmal oder Kernkompetenz“, betonte Bobbert mit Blick auf die Tatsache, dass zum Beispiel in der Diagnostik die reine Anwendung von Wissen bereits heute oft schneller und mit geringerer Fehlerquote von einer KI durchgeführt werden könne als von einem menschlichen Arzt.
„Die Frage ist dann, was ist dann ärztliche Kernkompetenz? Eine Antwort könnte sein: Vertrauen“, erklärte der Kammerpräsident. Am Ende müsse es das Vertrauen in die Verantwortung sein, die der Arzt für die Ergebnisse der KI übernehme.
„Wir müssen uns in die Lage versetzen, dass wir die Letztverantwortung, die aus meiner Sicht essenziell ist, auch übernehmen können“, forderte er. Dazu müssten Ärzte sowohl Funktionsweise als auch Potenziale und Beschränkungen von KI besser verstehen.
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