Politik

Ärzte-TÜV umstritten

  • Mittwoch, 17. Juni 2009
Jörg-Dietrich Hoppe /Lopata
Jörg-Dietrich Hoppe /Lopata

Berlin - Die von den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) geplante öffentliche Bewertung von Ärzten im Internet ist von anderen Kassen mit Interesse aufgenommen worden. Auch die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel (SPD), begrüßte den Vorstoß. Von der Ärzteschaft kommt hingegen Protest.

Der AOK-Bundesverband hatte am Freitag angekündigt, dass die 24 Millionen AOK-Versicherten ab 2010 die Möglichkeit erhalten sollen, Leistung und Service der niedergelassenen Ärzte im Internet zu benoten.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, kritisierte das AOK-Projekt. „Es ist unseriös, anonyme Fragebogen als Grundlage für Rankings zu nutzen“, sagte Hoppe. Wenn die AOK tatsächlich mit einer eigenen Plattform diesen Weg beschreiten sollte, erweist sie den berechtigten Ansprüchen ihrer Mitglieder auf qualitätsgesicherte Information einen Bärendienst, betonte Hoppe. Im Gegensatz zu professionellen Qualitätssicherungsverfahren hat der im Internet anonym bewertete Arzt keine Möglichkeit, auf unberechtigte Kritik zu reagieren und Missverständnisse.

Der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl, sprach von einem „digitalen Ärztepranger“. „Der Vorstandschef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Jürgen Fedderwitz, gab zu bedenken, solche Bewertungsportale seien erfahrungsgemäß extrem missbrauchsanfällig. „Da muss die AOK aufpassen, dass sie kein populistisches System mit Hitparadencharakter aufbaut“, sagte Fedderwitz. Über gute Medizin könne man nicht abstimmen wie bei „Deutschland sucht den Superstar“.

Die Barmer Ersatzkasse steht diesem Instrument „durchaus offen gegenüber“, wie Barmer-Sprecherin Susanne Rüsberg-Uhrig sagte. Der Bedarf sei da, es könne aber nicht darum gehen, dass die Patienten pauschal Ärger oder Zufriedenheit äußerten. „Nur wenn Ärzte und Wissenschaftler einen Kriterienkatalog entwerfen, kann das ein sinnvolles Instrument sein“, sagte Rüsberg-Uhrig.

Die Sprecherin der Technikerkrankenkasse (TK), Dorothee Meusch, zeigte sich ebenfalls offen für den sogenannten Ärzte-TÜV im Internet. Die TK werde das AOK-Projekt „mit Interesse" verfolgen. „Die Patientenperspektive in die Qualitätssicherung einzubeziehen, halten wir für sinnvoll“, sagte Meusch. Sie verwies darauf, dass die Kasse die Patienten bereits für ihren Klinikführer befrage.

Auch der GKV-Spitzenverband, die Vertretung der gesetzlichen Krankenkassen, äußerte sich grundsätzlich positiv. „Wir begrüßen aber alles, was zu mehr Transparenz und besserer Versorgung führt“, sagte Verbandssprecher Florian Lanz.
 

Die Patientenbeauftragte Kühn-Mengel findet die AOK-Idee ebenfalls gut. Patienten seien auf der Suche nach Ärzten und Spezialisten oft überfordert. „Ein Arzt-Navigator, wie von der AOK geplant, kann eine Orientierung bieten“, sagte die SPD-Politikerin. Wichtig sei aber, dass die Bewertung wissenschaftlich fundiert und seriös sei. Eine Diffamierung einzelner Ärzte dürfe es nicht geben.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar sagte der ARD am Samstag, die AOK müsse verhindern, dass Patienten "böswillige oder möglicherweise manipulierte" Bewertungen eintragen. Es bestehe die Gefahr von Kampagnen, mit denen Ärzte "hoch oder 'runter bewertet" werden könnten. Er sehe anonyme Bewertungen sehr kritisch. Bereits zur Beurteilung von Krankenhäusern eingeführte objektive, qualitätssichernde Urteile wären seiner Ansicht nach besser als zusammengefasste ungesicherte Meinungsäußerungen.

AOK-Vorstandsmitglied Jürgen Graalmann sagte in der ARD, die Patienten seien "sehr wohl in der Lage", Servicequalität, Praxisorganisation, Wartezeiten und die Einbindung in ärztliche Entscheidungen zu beurteilen. "Das werden wir auf diesem Portal abfragen." Die AOK wolle die Behandlungsqualität verbessern.

ddp/afp

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