Aggressive Blutdrucksenkung bei moderater Schwangerschaftshypertonie ohne Nutzen
Vancouver – Hypertensive Erkrankungen gehören zu den wichtigsten Ursachen für Schwangerschaftskomplikationen. Eine aggressive Senkung des Blutdrucks bei Schwangeren mit moderat erhöhten Blutdruckwerten ohne Proteinurie hat in einer internationalen Studie im New England Journal of Medicine (2015; 372: 407-417) die Risiken jedoch nicht senken können.
Die Frage, ab welchen Blutdruckwerten eine unkomplizierte Schwangerschaftshypertonie behandelt werden sollte, ist umstritten. Auf der einen Seite sind leicht erhöhte Blutdruckwerte ein Risikofaktor für eine Präeklampsie und andere Komplikationen, auf der anderen Seite könnte ein zu stark gesenkter Blutdruck die Blutversorgung des Feten gefährden und eine intrauterine Wachstumsstörung auslösen.
Allgemein wird erst ab Blutdruckwerten von 150/105 mm Hg zur Therapie geraten, die dann häufig in der Klinik erfolgt. Das sind allerdings relativ hohe Werte, und es wurde in der Vergangenheit immer wieder untersucht, ob eine Therapie der milden bis moderaten Hypertonie nicht vorteilhaft für Mutter und Kind wäre. Eine Cochrane Meta-Analyse auf der Basis von nicht weniger als 49 Studien mit 4.723 Frauen kam im letzten Jahr zu keinem klaren Ergebnis.
Jetzt liegen die Ergebnisse einer weiteren, mit 987 Frauen vielleicht der bisher größten Studie vor. Einschlusskriterium war ein bereits vor der Schwangerschaft bestehender oder bis zur 20. Woche aufgetretener Anstieg des diastolischen Blutdrucks auf 90 bis 105 mmHg (oder 85 bis 105 mmHg bei einer bestehenden antihypertensiven Therapie). Die Schwangeren wurden dann auf eine weniger strenge Kontrolle (Zielwert: 100 mm Hg) oder auf eine aggressive Kontrolle (Zielwert: 85 mm Hg) randomisiert.
Der primäre Endpunkt war ein Verlust des Kindes oder eine Intensivbehandlung des Neugeborenen über mehr als 48 Stunden. Der sekundäre Endpunkt bestand in schweren mütterlichen Komplikationen in den ersten sechs Wochen nach der Geburt. Wie Laura Magee vom BC Women’s Hospital and Health Centre in Vancouver jetzt mitteilt, hat die aggressive Therapie ihr Ziel nicht erreicht.
Zwar traten beide Endpunkte unter der aggressiven Therapie etwas seltener auf. Der neonatale Endpunkt wurde bei 30,7 Prozent der Kinder gegenüber 31,4 Prozent nach einer weniger strengen Blutdruckkontrolle festgestellt. Auch Komplikationen seitens der Mutter waren mit 2,0 versus 3,7 Prozent seltener. Doch die Unterschiede bleiben trotz der hohen Teilnehmerzahl nicht signifikant. Dabei hatte die aggressive Therapie deutlich häufiger verhindert, dass es während der Schwangerschaft zu einem Anstieg des Blutdrucks auf über 160/100 mm Hg kam: Diese schwere Hypertonie wurde unter der aggressiven Therapie bei 27,5 Prozent beobachtet, unter einer weniger strengen antihypertensiven Therapie dagegen bei 40,6 Prozent.
Die Ergebnisse dürften unterschiedlich bewertet werden. Eine konservative Interpretation wird in der Behandlung einer moderaten Hypertonie keinen Vorteil sehen. Für den Editorialisten Michael Greene vom Massachusetts General Hospital in Boston zeigen die Ergebnisse aber auch, dass die aggressive Therapie dem Fetus nicht schadet. Diese Ansicht muss sich allerdings mit der Frage beschäftigen, welches die am besten geeigneten Antihypertensiva sind. Das bevorzugte Mittel in der Studie war der Betablocker Labetalol, der in Deutschland nicht angeboten wird.
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