Alle zehn Minuten wird weltweit eine Frau von Partner oder Familienmitglied getötet

Wien – Alle zehn Minuten wird weltweit eine Frau von ihrem Partner oder einem Familienangehörigen getötet. Dies geht aus dem heute vorgelegten Jahresbericht 2023 des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) hervor. Der Bericht wurde anlässlich des heutigen Internationalen Tags zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen vorgelegt.
„Das Zuhause bleibt der gefährlichste Ort“ für Frauen, erklärte das UNODC. Die Gewalt gegen Frauen habe „ein alarmierendes Ausmaß“ angenommen, heißt es in dem Bericht weiter. Weltweit seien im vergangenen Jahr 85.000 Frauen und Mädchen durch bewusste Gewalt getötet worden. Dabei seien 60 Prozent der getöteten Frauen Opfer ihres Ehepartners oder anderer Familienmitglieder geworden.
Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) sieht in diesem Zusammenhang auch in der deutschen Rechtsprechung dringenden Handlungsbedarf bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention.
Dieses Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist ein völkerrechtlich bindendes Instrument, das in Deutschland im Februar 2018 in Kraft getreten ist. Zentrale Aspekte sind der Opferschutz, die Prävention und Strafverfolgung sowie die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter und eine Priorisierung der Problematik in der Politik.
Der BDP verweist darauf, dass laut Statistik des Bundeskriminalamts zu Partnerschaftsgewalt im Jahr 2023 mehr als 132.000 Frauen von Gewalt in einer Partnerschaft betroffen waren – ein Anstieg von 17,5 Prozent innerhalb von fünf Jahren.
Das vom Europarat eingesetzte Expertengremium zur Überwachung der Umsetzung der Istanbul-Konvention habe Deutschland grundsätzliche und gravierende Mängel bescheinigt: Es fehle an einer staatlichen Koordinierungsstelle, die eine Gesamtstrategie zur Umsetzung verfolge, sowie an angemessenen finanziellen Ressourcen und der notwendigen Infrastruktur zur Unterstützung von Betroffenen.
In einer gestern von der BDP-Delegiertenkonferenz verabschiedeten Resolution wird deshalb eine Reform bestehender Systeme zur Erfassung aller Formen von Gewalt gegen Frauen gefordert, ebenso wie die grundsätzliche Erfassung und strafrechtliche Verfolgung aller Gewaltdelikte mit einem geschlechtsspezifischen Hintergrund. Dafür brauche es die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel sowie der notwendigen Infrastruktur.
Der Deutsche Hebammenverband (DHV) fordert in seiner „Erklärung zu Gewalt in der Geburtshilfe“ unter anderem die Einführung verbindlicher Feedbackgespräche sowie eine gesetzliche Anerkennung von Gewalt in der Geburtshilfe.
„Wir fordern die flächendeckende Einführung der Frau-zentrierten Begleitung, die im Nationalen Gesundheitsziel ‚Gesundheit rund um die Geburt‘ bereits beschrieben ist, unter Einbeziehung der Frauen und aller beteiligter Berufsgruppen. Das erfordert strukturelle Änderungen, wie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Frauen und Hebammen, hin zu einer sichergestellten Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt“, sagte Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidentin des DHV.
Die Diakonie appellierte an die Bundestagsabgeordneten, das Gewalthilfegesetz mit großer Mehrheit zu beschließen. „Seit Jahren steigt die Zahl der polizeilich registrierten Fälle von Partnerschaftsgewalt. Gleichzeitig fehlen fast 14.000 Frauenhausplätze. Das können wir als Gesellschaft nicht länger hinnehmen. Von Gewalt betroffene Frauen brauchen jetzt Schutz und Beratung“, so Diakonie-Sozialvorständin Maria Loheide. Parteitaktische Überlegungen dürften das Gesetz im Bundestag nicht blockieren.
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