Allgemeinmediziner fordern mehr Effizienz und Ordnung im Gesundheitssystem

Hannover – Mit Forderungen nach mehr Effizienz und Ordnung im Gesundheitssystem hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) ihren Jahreskongress eröffnet. Allein anhand der „riesigen Löcher“ in den Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung müsse man anerkennen, dass es so nicht weitergehen könne, sagte DEGAM-Präsident Martin Scherer heute in Hannover.
Die Fachgesellschaft bekräftigte ihre langjährige Forderung nach der Einführung eines Primärarztsystems mit Hausarztpraxen als erste Anlaufstelle, was die bessere Form der Versorgung sei, wie Scherer betonte. Patientinnen und Patienten könnten dadurch vor schädlicher Überversorgung geschützt werden.
Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag ein Primärarztsystem angekündigt, ohne Details zur möglichen Umsetzung zu nennen. Es existieren unterschiedliche Vorschläge, wie ein solches System ausgestaltet werden könnte.
Die DEGAM begründet ihre Forderung unter anderem damit, dass Patientinnen und Patienten mit höherem Versorgungsbedarf einerseits und leichter Erkrankte andererseits gezielter als bisher versorgt werden müssten, wie Scherer sagte. Viele Patienten mit dringlichem Bedarf müssten bislang beispielsweise zu lange auf Facharzttermine warten.
„Da muss sich etwas ändern. Wir müssen effizienter werden. Deshalb müssen wir mehr Ordnung ins System bringen“, sagte Scherer. Derzeit herrschten „desorganisierte Verantwortungslosigkeit“ und „Versorgungschaos“.
Ein Primärarztsystem müsse in eine neue Kultur eingebettet sein und dürfe sich nicht auf einen Überweisungsvorbehalt beschränken, sagte Scherer. Sonst stünden montagmorgens 20 Menschen vor der Hausarztpraxistür, um sich einen Zettel abzuholen.
Es müsse vielmehr geprüft werden, ob eine Indikation für eine fachärztliche Behandlung vorliege. Generell müsse die Zeit von Ärztinnen und Ärzten mit Patienten maximiert werden, etwa mit Hilfe von Digitalisierung und Aufgabendelegation an nichtärztliche Fachberufe.
Patienten müssten sich nach Vorstellung Scherers über ein Einschreibesystem einer bestimmten hausärztlichen Praxis zuordnen – und Praxen bereit sein, sich auf diese Partnerschaft einzulassen. Nach Vorstellung der DEGAM soll der Weg für Patientinnen und Patienten nur in wenigen, fachlich gut begründeten Ausnahmefällen nicht zuerst in die Hausarztpraxis führen, etwa in der Gynäkologie, Ophthalmologie und bei definierten Krankheitsepisoden beispielsweise in der Onkologie.
Zur Umsetzung erläuterte Kongresspräsident Nils Schneider, dass Primärversorgungszentren – neben anderen Praxisformen und Zentren – eine wichtige Rolle spielen könnten. Dort könnten mehrere Allgemeinmediziner zusammenarbeiten, andere Fachärzte einbinden und letztlich mit Angehörigen anderer Gesundheitsfachberufe große Teams bilden.
Dies komme Patienten zugute, aber auch der neuen Arztgeneration, die tendenziell lieber angestellt und eher in Teilzeit arbeiten wolle. Schneider plädierte zudem für regional betrachtete Gesamtversorgungsplanung, die Krankenhäuser und Praxen gleichermaßen in den Blick nehme.
Der Kongress der Fachgesellschaft steht in diesem Jahr unter dem Titel „Gesellschaft und Gesundheitssystem im Wandel – Perspektiven der Allgemeinmedizin“. Einer der inhaltlichen Schwerpunkte ist der demografische Wandel, wie Schneider ankündigte. Angesichts der erwarteten Zunahme der Zahl älterer Patientinnen und Patienten und dem Rückgang der Zahl der Hausärztinnen und Hausärzte seien neue Versorgungskonzepte gefragt.
Für DEGAM-Präsident Scherer war der heutige Tag der letzte in dieser Funktion, nach zwei Amtszeiten und sechs Jahren kann er gemäß Satzung nicht erneut antreten, wie eine Sprecherin der Fachgesellschaft erklärte. Am heutigen Abend sollte ein neues Präsidium gewählt werden.
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