Anhörung zum Apothekenstärkungsgesetz bringt gemischte Bewertungen

Berlin – Der Gesetzentwurf zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken stößt bei Gesundheits- und Sozialexperten auf erhebliche inhaltliche und rechtliche Vorbehalte. Die geplante Neuregelung zur Einhaltung des einheitlichen Abgabepreises für verschreibungspflichtige Medikamente wurde gestern im Rahmen der Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages von mehreren Fachleuten als europarechtlich riskant eingestuft.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) wertete den Gesetzentwurf hingegen als tragfähige Grundlage für eine nachhaltig und spürbar gestärkte Arzneimittelversorgung. Die vorgesehenen Regelungen seien geeignet, die Rechtssicherheit zu stärken und den Apotheken „Entwicklungsperspektiven“ im Bereich der pharmazeutischen Dienstleistungen zu eröffnen, betonte Friedemann Schmidt, Präsident der ABDA. Einer möglichen europarechtlichen Überprüfung der geplanten Regelungen sehe man „mit Zuversicht“ entgegen.
Der einheitliche Apothekenabgabepreis müsse allerdings auch für Arzneimittel gelten, die aus dem Ausland an Privatversicherte und Selbstzahler außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegeben würden – hier führe der Gesetzentwurf nur eine „Teillösung“ ein.
Kritisch äußerte sich der GKV-Spitzenverband. Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, betonte, der Versandhandel habe sich in den vergangenen Jahren als sichere Form der Arzneimittelversorgung erwiesen. Dieser könne insbesondere in ländlichen Regionen eine wichtige Ergänzung sein – ein Verbot sehe man entsprechend als kontraproduktiv an, zumal keine wirtschaftliche Gefährdung der Vor-Ort-Apotheken erkennbar sei.
Der Gesetzentwurf müsse europarechtskonform ausgestaltet werden, weshalb ausländischen Versandapotheken in einem gewissen Umfang erlaubt werden sollte, in einen Preiswettbewerb einzutreten. Dies könne durch eine Gewährung von Boni innerhalb eines „engen gesetzlichen Rahmens“ erreicht werden. Einer Überprüfung der aktuellen Regelung sehe man „mit Sorge“ entgegen.
Dem schloss sich der Einzelsachverständige und Rechtswissenschafter Sebastian Kluckert von der Universität Wuppertal an. Die geplanten Regelungen stellten „keinen kohärenten Ansatz“ dar und dürften den Europäischen Gerichtshof (EuGH) „nicht überzeugen“.
Der GKV-Spitzenverband sprach sich zudem für selektivvertragliche Regelungen bezüglich pharmazeutischer Dienstleistungen aus. Diese müssten einen wirklichen Mehrwert bringen und regional flexibel gestaltet werden. Auch solle, insbesondere vor dem Hintergrund der Pandemiekosten, das Finanzvolumen für Dienstleistungen grundsätzlich überprüft werden.
Auch die Bundesärztekammer (BÄK) äußerte sich kritisch zu den zusätzlichen pharmazeutischen Dienstleistungen. Dies könne zu einer Doppelhonorierung von Leistungen führen, die keinen Vorteil für die Patienten, sondern eher erhebliche Nachteile für das solidarisch finanzierte Gesundheitswesen mit sich brächten.
Die BÄK wandte sich in diesem Zusammenhang erneut gegen Impfungen durch Apotheker. Bei seltenen Impfkomplikationen seien ärztliche Notfallbehandlungen erforderlich – ähnlich argumentierte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV).
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