Medizin

Antibiotikum lindert Reizdarmsyndrom

  • Donnerstag, 6. Januar 2011

Morrisville – Eine zweiwöchige Behandlung mit dem Breitbandantibiotikum Rifaximin kann die Beschwerden von Patienten mit Reizdarmsyndrom über weitere 10 Wochen lindern. Dies kam in zwei randomisierten klinischen Studien im New England Journal of Medicine (NEJM 2011; 364: 22-32) heraus. Die Ergebnisse waren jedoch nur geringfügig besser als unter Placebo und wegen der Resistenzproblematik dürfte den Zulassungsbehörden die Erweiterung der Indikation schwer fallen.

Rifaximin ist ein oral verfügbares Breitbandantibiotikum, das vom Darm kaum resorbiert wird. Es ist wirksam gegen eine Reihe gram-negativer und gram-positiver Bakterien sowie einigen Anaerobiern einschließlich Clostridium difficile. In Deutschland ist das Medikament seit 2008 zur Behandlung der Reisediarrhö zugelassen, die es im Durchschnitt um einen Tag verkürzt.

Der Einsatz beim Reizdarmsyndrom stützt sich auf die Hoffnung, dass die Verminderung der bakteriellen Besiedlung die Bildung von Gasen im Kolon und damit die Blähungen lindert, an der Patienten mit der nicht-obstipierenden Variante des Reizdarmsyndrom häufig leiden.

Eine weitere Hypothese besagt, dass die Antibiotikatherapie auch eine pathologische bakterielle Besiedlung des Dünndarms beseitigt. Dieser Befund, der auf einem fehleranfälligen Laktulose-Test basiert, lässt sich durch eine Kultivierung von Jejunumaspirate jedoch nur selten bestätigen, wie Jan Tack von der Universität Löwen in Belgien im Editorial einwendet (NEJM 2011; 364: 81-82). Wie genau die Wirkung beim Reizdarmsyndrom zustande kommt, ist deshalb offen.
 

Der Hersteller ließ die Wirksamkeit des Antibiotikums an 179 Zentren in den USA und Kanada untersuchen. Die 1.260 Patienten litten an einem Reizdarmsyndrom (nach Rom-II-Kriterien), das nicht mit Obstipationen einhergehen durfte. Die Beschwerden waren mittelschwer und hatten auf frühere Therapieversuche mit einer Lebensstiländerung nicht angesprochen.

Die Patienten nahmen über 2 Wochen dreimal täglich eine Tablette mit 550mg Rifaximin oder Placebo ein. Die Tablette mit 550mg Rifaximin ist in den USA (nicht in Deutschland) zur Behandlung der hepatischen Enzephalopathie zugelassen. Das Präparat zur Behandlung der Reisediarrhö ist mit 200mg pro Tablette niedriger dosiert.

Primärer Endpunkt war eine komplette Linderung der Symptome in mindestens 2 der ersten 4 Wochen. Sie wurde unter der Behandlung mit Rifaximin von 40,7 Prozent der Patienten erreicht. Aber auch unter Placebo verspürten 31,7 Prozent die gleiche Linderung.

Der Unterschied von 9 Prozent liegt nach Einschätzung des Editorialisten im Grenzbereich dessen, was als klinisch relevant angesehen werden kann. Bei den Blähungen, ein zentraler sekundärer Endpunkt, waren die Unterschiede etwas größer: Bei 40,3 versus 30,3 Prozent hatten sich diese Beschwerden an mindestens 2 der ersten 4 Wochen gebessert.

Die Patienten wurden nach Therapieende noch 10 Wochen beobachtet. Wie zu erwarten, ging die Wirkung allmählich verloren. Der Unterschied zu Placebo war zwar noch vorhanden, es ist aber absehbar, dass die Patienten eine neue Therapie benötigen werden.

Ob diese dann erneut wirksam ist, bleibt abzuwarten. Auch wenn Rifaximin bisher von einer Resistenzbildung weitgehend verschont geblieben ist, dürfte der Selektionsdruck doch erheblich sein, wenn bis zu 30 Millionen Reizdarm-Patienten in den USA mehr oder weniger regelmäßig mit Antibiotika behandelt würden.

Auch das Risiko einer C. difficile-Erkrankung ist trotz der Aktivität gegen diesen Erreger nicht ausgeschlossen, wie der Hersteller mitteilt. Es bleibt deshalb abzuwarten, wie die Zulassungsbehörden diese Risiken gegen die doch begrenzte Wirkung des Antibiotikums bewerten werden.

rme

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