Medizin

Antidepressivum könnte gegen Multiple Sklerose helfen

  • Donnerstag, 21. Dezember 2017
/vitstudio, stock.adobe.com
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Calgary – Clomipramin, ein älteres trizyklisches Antidepressivum, kann möglicherweise die Behandlung der primär progredienten Verlaufsform der Multiplen Sklerose unter­stützen. Präklinische Studien in Nature Communications (2017; doi: 10.1038/s41467-017-02119-6) zeigen, dass der Wirkstoff die Nervenzellen vor toxischen Schäden durch Eisen schützt und die Immunreaktion, die der Autoimmunerkrankung zugrunde liegt, abschwächt. 

Während zur Basistherapie der schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose inzwi­schen rund ein Dutzend Medikamente zur Verfügung stehen, gibt es für die progredien­te Form derzeit kaum Therapieansätze. Der CD20-Antikörper Ocrelizumab, der zur Zulassung empfohlen ist, wird das erste Medikament für diese seltene, aber rasch zur Behinderung fortschreitenden Form der Multiplen Sklerose sein. 

Ein Grund für die schlechtere Prognose ist eine verstärkte Neurotoxizität, zu der neben einer vermehrten Aktivierung der Neuroglia auch die Ablagerung von Eisen beiträgt. Ein Team um V. Wee Yong von der Universität Calgary hat deshalb nach Substanzen gesucht, die Nervenzellen vor dem schädigenden Einfluss von Eisen schützen können. 

Die Forscher untersuchten zunächst 249 Substanzen auf ihre Fähigkeit, eine eisenindu­zierte Neurotoxizität zu verhindern. Ausgewählt wurden ausschließlich Arzneimittel, die seit Längerem zur Behandlung anderer Erkrankungen zugelassen sind und von denen bekannt war, dass sie eine intakte Blut-Hirn-Schranke überwinden.

Diesen ersten Test bestanden 35 Medikamente. Diese wurden dann auf weitere Eigenschaften hin analysiert, die bei der Behandlung der Multiplen Sklerose nützlich sein könnten. Dazu gehört, dass sie Oxidationsschäden an den Mitochondrien verhin­dern und die Aktivität von B-Zellen und T-Zellen vermindern, die für den Angriff auf die Myelinscheiden der Nervenzellen verantwortlich sind, der der Multiplen Sklerose zugrunde liegt. Aus dieser Testserie ging Clomipramin als Sieger hervor. 

Im nächsten Schritt wurde Clomipramin an Mäusen getestet, bei denen durch Injektion von Allergenen eine experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis (EAE) ausgelöst wurde. Clomipramin konnte hier den Verlauf der EAE günstig beeinflussen. Eine Wirkung wurde allerdings nur erzielt, wenn die Forscher die Therapie sofort beim Auftreten der ersten klinischen Anzeichen der Krankheit begannen. Dann kam es anders als bei Tieren, die mit einem Placebo behandelt wurden, zu verminderten Symptomen und Lähmungserscheinungen.

Ob Clomipramin auch beim Menschen mit der primär progredienten Form der Multiplen Sklerose wirkt, steht noch nicht fest. Da Clomipramin jedoch seit Längeren zugelassen ist, steht dem Beginn von klinischen Studien nichts im Weg. Am Anfang stünde eine Phase-1-Studie zur Verträglichkeit, da man nicht davon ausgehend kann, dass ein Mittel, das bisher nur bei Depressionen und anderen psychischen Erkran­kungen eingesetzt wurde, bei Patienten mit Multipler Sklerose sicher ist.

rme

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