AOK-Institut will Therapie von Multipler Sklerose mit neuen Arzneimitteln auf Schwerpunktzentren begrenzen

Berlin – Die Anwendung neuer Arzneimittel gegen Multiple Sklerose (MS) sollte auf Schwerpunktzentren konzentriert werden. Das hat das Wissenschaftliche Institut der AOK (WidO) heute gefordert. Hintergrund ist, dass im vergangenen Jahr nahezu die Hälfte aller Arzneimittelverordnungen für gesetzlich krankenversicherte Patienten mit MS auf Wirkstoffe entfallen seien, deren Sicherheitsrisiken nicht ausreichend bekannt seien, hieß es aus dem Institut.
„Nebenwirkungen könnten besser erkannt werden, wenn neue Arzneimittel mit nicht abschätzbaren Sicherheitsrisiken nur unter besonderen Auflagen verordnet werden dürfen“, sagte der stellvertretende WidO-Geschäftsführer Helmut Schröder. Neue MS-Arzneimittel sollten deshalb nur in qualifizierten Kliniken oder Schwerpunktpraxen angewendet werden. „So könnten schwerwiegende, zum Zeitpunkt der Zulassung nicht bekannte Nebenwirkungen schneller identifiziert werden“, sagte er.
MS ist in Deutschland die häufigste neurologische Erkrankung im jungen Erwachsenenalter. 1998 waren mit Interferon beta-1a und -1b erstmals krankheitsmodifizierende Arzneimittel zur schubprophylaktischen Behandlung verfügbar. Kurz darauf wurde ein Präparat mit dem Wirkstoff Glatirameracetat zugelassen.
Mittlerweile sind sieben Immuntherapeutika verfügbar, die die Schubfrequenz beeinflussen. „Doch bei ihnen fehlen Studien darüber, inwieweit sie tatsächlich das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten können. Ebenso gibt es keine vergleichenden Beurteilungen dieser Mittel untereinander“, argumentiert das WidO. Dennoch entfielen knapp die Hälfte der verordneten Tagesdosen an krankheitsmodifizierenden Arzneimitteln für MS-Patienten im vergangenen Jahr auf diese sieben neuen Arzneimittel, die seit 2011 auf dem Markt sind.
„Dabei ist deren Nebenwirkungsprofil mit zum Teil lebensbedrohlichen Risiken noch gar nicht einschätzbar“, kritisierte Schröder. Der stellvertretende WidO-Geschäftsführer erinnerte daran, dass MS-Patienten nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft lebenslang behandelt werden müssten, daher sei den zum Teil schweren Nebenwirkungen der Arzneimittel besondere Beachtung zu schenken.
„Angesichts dieser Ergebnisse sollte darüber nachgedacht werden, das aktuelle Meldesystem über unerwünschte Arzneimittelwirkungen für neue Arzneimittel zu erweitern“, sagte Schröder. Außerdem sollten nur besonders qualifizierte Zentren neue krankheitsmodifizierende MS-Arzneimittel anwenden dürfen. „So könnten schwerwiegende, nicht bekannte Arzneimittelwirkungen schneller identifiziert und die Daten für eine optimale Risikominimierung einfacher zusammengeführt werden“, so die WidO-Forderung.
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