Arzneimittelkommission kritisiert das Ende des Bestandsmarktsaufrufs

Berlin – Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat die Pläne von Union und SPD kritisiert, den sogenannten Bestandsmarktaufruf zu streichen. „Wir halten das für einen eklatanten Fehler“, sagte Bernd Mühlbauer, Mitglied des Vorstands der AkdÄ, am vergangenen Freitag auf der Mitgliederversammlung der Kommission. „Über viele der bislang erfolgten Bestandsmarktaufrufe haben wir uns sehr gefreut.“ Denn ein Zusatznutzen von einigen der aufgerufenen Wirkstoffe sei durchaus zweifelhaft.
Als Beispiel nannte Mühlbauer die drei Antidiabetika Saxagliptin, Sitagliptin und Vildagliptin, die zusammen mit ihrem Wettbewerber Linagliptin, der in Deutschland nach einer negativen Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht vermarktet wird, aufgerufen worden waren. „Alle drei Gliptine haben nach unserer Auffassung keinen belegten Zusatznutzen“, sagte Mühlbauer. Denn die Hersteller hätten es versäumt, rechtzeitig vernünftige Studien aufzusetzen.
Über den therapeutischen Stellenwert dieser Gliptine könne man heute daher keine belastbare Aussage treffen. „Genau deshalb ist der Bestandsmarktaufruf so wichtig“, betonte Mühlbauer. Werde er eingestellt, könnten Medikamente ohne Zusatznutzen auf Jahre zu überhöhten Preisen im Markt bleiben – zum Nachteil der Patienten.
„Auf dem Markt sind heute zahlreiche Arzneimittel, deren Zusatznutzen nicht belegt ist“, befand auch Ulrich Schwabe, Mitglied der AkdÄ und Mitherausgeber des Arznei-Verordnungsreports. Manche davon tauchten sogar in Leitlinien auf. „Diese Arzneimittel müssen auf ihren Zusatznutzen hin überprüft werden“, forderte Schwabe, „und zwar allein schon deshalb, um ihren therapeutischen Wert zu bestimmen.“
Bislang gehe es bei der Diskussion um den Bestandsmarktaufruf nur um die Kosten der Arzneimittel. Der Versorgungsaspekt werde dabei überhaupt nicht diskutiert. Das sei ein Fehler. „Der Bestandsmarktaufruf im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz ist eine Kann-Bestimmung“, erklärte Schwabe. „Der Gesetzgeber hätte also problemlos alles beim Alten belassen können. Dass er ihn nun abschafft, ist ein Kniefall vor der Industrie.“
Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, die heute bestehende Möglichkeit, den Zusatznutzen alter, patentgeschützter Arzneimittel prüfen zu lassen, wieder aus dem Sozialgesetzbuch zu streichen. Grund dafür seien „eine Reihe rechtlicher, verfahrenstechnischer und praktischer Probleme“, die sich beim Aufruf des Bestandsmarktes ergeben hätten.
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