Arzt in Haft: Ärztliche Friedensorganisation ersucht Gabriel um Hilfe
Berlin – Die ärztliche Friedensorganisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) hat Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in einem Schreiben aufgefordert, sich für den inhaftierten Arzt Sedar Küni in der Türkei stark zu machen. Gabriel möge sich dafür einzusetzen, dass der Revisionsprozess von Küni nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geführt wird, hieß es. Küni, Arzt in Cizre und Vertreter der türkischen Menschenrechtsstiftung, ist am 24. April 2017 vom Strafgericht in Sirnak zu vier Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden.
Der Arzt aus dem Südosten der Türkei ist angeklagt im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit während der Ausgangssperre Anfang 2016 in Cizre Menschen behandelt zu haben, die als „Militante“ verdächtigt wurden, und sie nicht dem Militär gemeldet zu haben. Seit Oktober wurde er im Gefängnis von Urfa inhaftiert. Die IPPNW bemängelte, Küni sei in einem „rechtsstaatlich höchst bedenklichen Verfahren“ verurteilt worden. Die Begründung steht noch aus. Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und die Verteidigung Revision beantragt hat, wurde Küni vorläufig aus der Haft entlassen. Die Entscheidung beim Revisionsgericht soll in den nächsten Tagen fallen.
Zeugen unter Druck gesetzt
Internationale Prozessbeobachter waren sich laut IPPNW einig, dass der Prozess rechtsstaatlichen Kriterien nicht genügt. Schon am ersten Prozesstag im März hätten alle von der Staatsanwaltschaft benannten vier Zeugen ihre Aussagen widerrufen und übereinstimmend ausgesagt, dass sie durch Drohung und physische Gewalt erpresst worden seien.
Der IPPNW weist darauf hin, dass der Prozess gegen Küni hat grundsätzliche Bedeutung, auch über die Türkei hinaus hat. „Hier soll nicht nur ein in der Bevölkerung anerkannter Arzt und Menschenrechtler in einem unfairen Verfahren eingeschüchtert und mundtot gemacht werden. Die ärztliche Pflicht, unterschiedslos alle Personen, die ärztliche Hilfe brauchen, zu behandeln und die ärztliche Schweigepflicht gegenüber Dritten zu bewahren, steht hier zur Disposition“, schreibt die Organisation.
Ansinnen an Mediziner, nicht den gesundheitlichen Erfordernissen ihrer PatientInnen zu folgen, sondern sie Interessen von Dritten auszuliefern, seien weltweit zu beobachten, sagte Ernst-Ludwig Iskenius, der für die IPPNW und die Bundesärztekammer zu diesem Prozess gereist war. Dem gelte es, gemeinsam einen Riegel vorzuschieben. „Wenn wir dieser Instrumentalisierung heilberuflicher Tätigkeit nicht konsequenten Widerstand entgegensetzen, werden in Zukunft viele Menschen, die dringend Hilfe brauchen, sich nicht mehr behandeln lassen können“, erklärte er. Letztlich könne das Recht auf Gesundheit nicht mehr wahrgenommen werden, wenn eine Instrumentalisierung durch fremde Interessen möglich sei.
Kritik hat die IPPNW heute auch an Abschiebungsversuchen vor allem in Bayern geübt. Diese führten zu „massiven Verletzungen der seelischen Gesundheit“ bei den betroffenen Familien, erklärte der Verband heute in Berlin. Mehrfach hätten Kleinkinder psychiatrisch behandelt werden müssen, weil sie durch Versuche der bayerischen Behörden, ihre Familien abzuschieben, massiv traumatisiert worden seien.
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