Ärzte beklagen enormen Anstieg an erkrankten Kindern in Afghanistan

Berlin – In Afghanistan gibt es nach Einschätzung von Hilfsorganisationen einen enormen Anstieg bei der Zahl erkrankter Kinder. In mehreren Regionen des Landes würden vermehrt Jungen und Mädchen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen wie schwerer Mangelernährung, Sepsis oder Atemstillstand in Krankenhäuser eingeliefert, teilte Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Berlin mit.
Die Hilfsorganisation verwies konkret auf die Notaufnahme des Boost-Krankenhauses in der Provinz Helmand; dort habe sich die Zahl der Kinder unter fünf Jahren seit 2020 mehr als verdoppelt – von 53.923 im Jahr 2020 auf 122.335 Patienten 2024. Im April 2025 erfasste die Notaufnahme mit 13.738 Kindern unter fünf Jahren die höchste Zahl an monatlichen Konsultationen seit 2020.
„Ihr Zustand ist oft kritisch, weil Eltern häufig nicht früher Zugang zu medizinischer Versorgung finden können“, so Ärzte ohne Grenzen. „Andererseits bringen viele Eltern ihre Kinder in Krankenhäuser, obwohl diese nicht in kritischem Zustand sind – zum einen, weil die Gesundheitsversorgung in einfachen Einrichtungen nicht ausreicht, zum anderen, weil Eltern sich diese oft nicht leisten können.“
Auch in anderen Landesteilen steigen nach Angaben der Hilfsorganisation die Zahlen von Kindern, die medizinisch versorgt werden müssen: Das Regionalkrankenhaus Mazar-i Sharif und das Regionalkrankenhaus in Herat beispielsweise verzeichneten ebenfalls deutlich mehr Konsultationen, hieß es.
„Familien ringen um den Zugang zu medizinischer Versorgung. Viele Gesundheitseinrichtungen haben jedoch mit Personalknappheit und einem Mangel an grundlegenden Medikamenten und Diagnosegeräten zu kämpfen“, sagte Julie Paquereau, medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Afghanistan.
Dies sei bereits vor der Einstellung der US-Mittel für globale Gesundheit und humanitäre Hilfe im Zuge der Schließung der Behörde USAID seit Anfang dieses Jahres der Fall gewesen, sagte sie. Nun seien in Afghanistan nach Schätzung des US-Sonderinspekteurs für den Wiederaufbau Afghanistans Projekte in Höhe von einer Milliarde US-Dollar gestrichen worden.
Seitdem hätten laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 422 Gesundheitseinrichtungen in Afghanistan ihren Betrieb eingestellt. In der Folge hätten mehr als drei Millionen Menschen keinen Zugang mehr zu medizinischer Versorgung.
„Der mangelnde Zugang wird dazu führen, dass noch mehr Säuglinge und Kinder mit lebensbedrohlichen Erkrankungen in die bereits überlasteten Provinz- und Regionalkrankenhäuser gebracht werden – darunter auch in die von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Einrichtungen“, sagte Paquereau. Einige Menschen würden möglicherweise gar nicht medizinisch versorgt werden können, da sie keine Gesundheitseinrichtung erreichen könnten.
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