Ataman: Diskriminierung vor allem durch Rassismus

Berlin – Die Beratungsanfragen bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes haben im vergangenen Jahr mit 8.827 einen Höchststand erreicht. Das zeigt der heute vorgelegte Jahresbericht der Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung, Ferda Ataman.
Mit 43 Prozent bezogen sich demnach die meisten Anfragen auf rassistische Diskriminierung. Seit 2019 haben sich die Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle verdoppelt. Das Bewusstsein für Antidiskriminierung in der Bevölkerung wachse, erklärte Ataman. Dies sei „ein wichtiges Zeichen gesellschaftlicher Reife und Integration“.
Jeder gemeldete Diskriminierungsfall stehe für das Vertrauen in die Demokratie und zeige, dass der Rechtsstaat funktioniere und Menschen sich sicher genug fühlten, ihr Recht auf Gleichbehandlung einzufordern, so Ataman.
An zweiter Stelle bei den Beratungsanfragen stehen mit 27 Prozent dem Bericht zufolge Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung, gefolgt von 21 Prozent mit Anfragen zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts. Jede zehnte Anfrage bezog sich im vergangenen Jahr auf Altersdiskriminierung, jede zwanzigste nannte Diskriminierung wegen der Religion.
Ataman kündigte an, künftig auch Diskriminierungen durch Systeme künstlicher Intelligenz verstärkt in den Blick zu nehmen. Im Sommer wolle sie dazu konkrete Vorschläge vorlegen. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sei bisher zum Beispiel nicht berücksichtigt, wie durch Algorithmen und automatisierte Entscheidungssysteme Diskriminierungen geschehen könnten.
Beispiele im Alltag seien Wohnungsvergaben oder Stellenbewerbungen, die datenbasiert mit künstlicher Intelligenz arbeiteten. Hier brauche es mehr Transparenz, forderte Ataman. Sie kündigte zudem an, die Antidiskriminierungsberatung flächendeckend ausbauen zu wollen.
Mit einem Förderprogramm und einem Volumen von fünf Millionen Euro sollen gemeinsam mit den Ländern 35 Projekte unterstützt werden. Lob für die Pläne kam unter anderem von der Diakonie in Deutschland. Im Herbst soll außerdem eine Informationskampagne das Bewusstsein für Diskriminierung im Alltag stärken. Viele Menschen wüssten nicht, dass etwa Altersdiskriminierung verboten sei.
Mehr als jeder vierte Ratsuchende berichtete Ataman zufolge von Diskriminierungen am Arbeitsplatz; jeder fünfte von Diskriminierungen im Alltag, etwa bei der Wohnungssuche, im Restaurant, beim Einkaufen oder im Öffentlichen Nahverkehr. Alle Lebensbereiche seien von Diskriminierung betroffen, auch bei Ämtern und Behörden, in der Justiz, in der Bildung oder bei der Polizei, so Ataman. Auch hier müsse ein wirksamer Diskriminierungsschutz eingeführt werden.
Wo das AGG noch nicht greift, wolle sie das Gesetz reformieren, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei, so Ataman. Die Kompetenzen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aufgrund des AGG seien im europäischen Vergleich derzeit am schwächsten. Deutlich weiter seien etwa skandinavische Länder.
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