Auflösungspläne des DIMDI sorgen für neuen Ärger

Berlin – Eigentlich sollte das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zum Jahresanfang aufgelöst werden. Doch das Institut existiert weiter, wie jetzt bekannt wurde. Die Fusionspläne mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind damit aber nicht vom Tisch – und das sorgt nun erneut für erhebliche Kritik des Bundesdatenschutzbeauftragten.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte bereits an den ursprünglichen Fusionsplänen von DIMDI und BfArM, das nach Plänen der Regierung die Aufgabe des DIMDI übernehmen sollte, Kritik geäußert. Diese sei aber im BMG ungehört geblieben, moniert er nun in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Erwin Rüddel (CDU). Der Brief liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.
Dem Schreiben zufolge hat das Ministerium den Erlass zur Auflösung des DIMDI am 29. November 2019 zu einem Zeitpunkt ausgestellt, als Kelber bereits erhebliche Bedenken geltend gemacht hatte. Der Datenschutzbeauftragte kritisiert zudem, dass das Ministerium ihn – ungeachtet laufender Beratungen auf Fachebene und Gesprächen auf Leitungsebene – nicht über den Auflösungserlass des Instituts in Kenntnis gesetzt habe.
Spahn hat erst auf Druck reagiert
Erst auf Androhen einer förmlichen Anhörung und dem „Inaussichtstellen einer datenschutzaufsichtlichen Maßnahme“ habe der Bundesminister für Gesundheit den Aufhebungserlass am 18. Dezember 2019 bis auf Weiteres ausgesetzt, schreibt Kelber. Er weist in dem Brief an Rüddel darauf hin, dass der Grund für die „Suspendierung des Auflösungserlasses“ erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken gewesen seien, die auch vom Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz und dem Bundeministerium des Innern geteilt würden.
In dem Schreiben moniert Kelber weiter, dass trotz seiner Bedenken nun in einem Änderungsantrag zum Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) die Fusion von DIMDI und BfArM weiter vorangetrieben werden solle. Ihn habe „überrascht“, dass der fachfremde Änderungsantrag beibehalten worden sei – und nun auch schon auf der Tagesordnung des Ausschusses stehe, „um damit Fakten zu schaffen“. Er empfahl Rüddel „dringend, den Änderungsantrag 4 zurückzustellen“, schreibt er.
Kelber formuliert deutlich, dass er sich eine Umgehung des Datenschutzrechts nicht gefallen lassen wird. „Ich darf darauf hinweisen, dass ich Datenverarbeitungen untersagen kann, wenn diese nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung vereinbar sind, auch wenn sie auf einer nationalen Norm beruhen“, schreibt er. Und weiter: „Übereilte Beschlüsse über nicht hinreichend geprüfte gesetzliche Regelungen sollten daher vermieden werden“.
Besondere datenschutzrechtlicher Relevanz
Der Bundesdatenschutzbeauftragte führt weiter aus, er habe bereits in seiner Stellungnahme aus der Ressortbeteiligung, die er fristgemäß an das BMG gesandt habe, bezüglich der Ordnungsmäßigkeit der Vorgehensweise des Ministeriums das DIMDI betreffend „erhebliche Zweifel“ angemeldet.
Kelber wies damals darin darauf hin, dass das DIMDI verschiedene Aufgaben von wesentlicher datenschutzrechtlicher Bedeutung habe – und noch bekommen werde. So solle das Institut etwa das kommende Implantateregister und das bestehende Informationssystem Versorgungsdaten managen.
Diese seien „von besonderer datenschutzrechtlicher Relevanz“, da sie eine enorme Menge an sensiblen und nach Artikel 9 Datenschutz-Grundverordnung besonders geschützten Gesundheitsdaten enthalten würden. Er betont zugleich, dass diese nicht Gegenstand des Änderungsantrags 4 seien, da die gesetzlichen Neuregelungen der Aufgabenzuweisung noch ausstünden.
Weitere Verarbeitungen personenbezogener Daten nimmt das DIMDI Kelber zufolge beim Samenspenderregister und in verschiedenen medizinischen Produktregistern vor, deren gesetzliche Regelungen nun Gegenstand des Änderungsantrages Nr. 4 seien. Kelber betonte in dem Schreiben, dass bei der Veränderung der gesetzlichen Aufgabenzuweisung zu prüfen sei, welche Auswirkungen dies auf die Datenverarbeitung und insbesondere auf Erhebungs- und Übermittlungsprozesse hat.
„Eine solche Prüfung lässt die Begründung zum Änderungsantrag jedoch vermissen. Statt- dessen wird eine pauschale Begründung beigefügt“, so der Bundesdatenschutzbeauftragte. Eine datenschutzrechtliche Bewertung – und ebenso eine fachliche – sei „daher erschwert und benötige weitere Zeit“.
BMG will Einzelfalllösung
Aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hieß es auf Nachfrage heute, der Bundesdatenschutzbeauftragte habe richtigerweise reklamiert, dass es in Bezug auf gewisse Daten eine organisatorische Trennung von Datenerhebung und -verwaltung einerseits und Datennutzung andererseits geben müsse.
„Durch Fusion von DIMDI (Verwaltung) und BfArM (Datennutzung) wäre das punktuell nicht der Fall gewesen“, sagte ein BMG-Sprecher dem Deutschen Ärzteblatt. Man wolle das Problem jetzt „im guten Einvernehmen“ mit dem Datenschutzbeauftragten für jeden Einzelfall lösen.
Der Sprecher stellte aber auch klar, dass es das Ziel bleibe, die Behörden zeitnah zusammenzuführen. Die Fusion der beiden Behörden sei nicht gestoppt. Sie habe vielmehr begonnen. „Es gibt erste Versetzungen von Personal. Die Behörden sind aber noch nicht zusammengelegt. Der Erlass ist weiter gültig. Der Vollzug ist nur ausgesetzt“, so der Ministeriumssprecher.
Zuspruch von den Grünen
Kritik übten die Grünen. „Die Intervention des Datenschutzbeauftragten zeigt, dass Spahn die Fusion von DIMDI und BfArM mit heißer Nadel gestrickt und die Folgen nicht bedacht hat“, sagte Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Gesundheitspolitik der Grünen im Bundestag. Es möge inhaltliche oder organisatorische Gründe für die Zusammenlegung geben. Diese könne Spahn aber „offenbar nicht liefern“.
Klein-Schmeink mahnte an, die datenschutzrechtlichen Bedenken „sehr ernst“ zu nehmen. Sie habe deshalb für die nächste Sitzung des Gesundheitsausschusses um einen Bericht der Bundesregierung gebeten.
„Ich finde es höchst bedenklich, wie hemdsärmelig hier mit zwei Institutionen umgegangen wird, die unerlässlich für das deutsche Gesundheitssystem sind und die in Zukunft weitere wichtige Aufgaben übernehmen werden“, sagte sie. Dazu komme, dass das Verfahren bislang am Parlament vorbeilaufe. „Spahn täte gut daran, seine Entscheidung zu begründen und ein transparentes und gut abgestimmtes Verfahren für die Zusammenlegung zu wählen“, erklärte sie.
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