Baden-Württemberg: Fast ein Viertel der Ärztinnen und Ärzte ist 60 Jahre und älter

Stuttgart – Baden-Württembergs berufstätige Ärztinnen und Ärzte werden älter. Fast jeder vierte Mediziner und Medizinerin in Praxis oder Klinik ist mittlerweile 60 Jahre und älter. Das geht aus der aktuellen Ärztestatistik der Landesärztekammer Baden-Württemberg hervor.
Von insgesamt 54.374 berufstätigen Ärztinnen und Ärzten im Südwesten gehörten Ende 2022 damit 12.879 zu dieser Gruppe (23,7 Prozent). Ende 2021 waren es rund 23,2 Prozent, Ende 2020 rund 22,3 Prozent. Der Anteil der unter 35-jährigen Ärztinnen und Ärzte lag zum Jahresende 2022 zudem bei 19 Prozent. Das entspricht einem Trend, der in vielen Branchen zu beobachten ist.
Dabei hat die Gesamtanzahl der Ärztinnen und Ärzte im Südwesten erneut zugenommen, von 72.638 im Jahr 2021 auf 73.966 im Jahr 2022. Ein Jahr zuvor gab es 53.568 berufstätige Mediziner im Land.
„Obwohl wir im Land mehr Ärztinnen und Ärzte haben, gibt es zunehmend Probleme in der Versorgung. Das geht vor allem zurück auf veränderte Rahmenbedingungen für die ärztliche Berufsausübung. Es liegt aber auch an einem neuen Selbstverständnis unserer Mitglieder, die ihren Beruf zwar lieben, aber nicht mehr rund um die Uhr zur Verfügung stehen wollen“, sagt Wolfgang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg.
Viele jüngere Ärztinnen und Ärzte stünden einer Niederlassung skeptisch gegenüber, so Miller. „Arbeitstage mit in der Regel zehn bis zwölf Stunden, ein erheblicher Teil davon für Bürokratie ohne Nutzen für die eigentliche Patientenbehandlung, das schreckt manche ab, die sich durchaus ein eigenes kleines Unternehmen wünschen.“
Außerdem werde die Medizin zunehmend weiblicher. Der aktuellen Ärztestatistik zufolge liegt der Anteil der berufstätigen Ärztinnen an allen berufstätigen Medizinern im Südwesten inzwischen bei rund 48,4 Prozent. Junge Ärztinnen arbeiten zudem häufiger in Teilzeit als ihre männlichen Kollegen.
Die Fortschritte der Gesundheitsversorgung forderten immer mehr ärztliche Arbeitszeit, so Miller. „Jahre, Jahrzehnte, die unseren älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern heute im Vergleich zu früher geschenkt sind, erfordern auch ärztliche Begleitung, von der hausärztlichen Basis bis hin zu komplexen medizinischen Prozeduren“, sagte der Kammerpräsident. Trotz steigender Arztzahlen stünden damit verhältnismäßig weniger Ärztinnen und Ärzte für die Versorgung zur Verfügung.
Miller betonte, es sei deshalb wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte möglichst im Beruf gehalten werden und weiterhin an der Versorgung von Patientinnen und Patienten teilhaben können. Dabei sei vor allem die Politik gefordert: Es brauche entschlossenes Handeln für bessere Rahmenbedingungen ärztlicher Berufsausübung.
„Eine neue Vertrauenskultur und der Verzicht auf unnötige Bürokratie sind Faktoren, die hier mitentscheidend sein können“, sagte Miller. Letztlich gehe es um die sich ändernden Bedingungen, unter denen Patientenversorgung aktuell und in Zukunft stattfinden kann. Es sei eine Kombination von Maßnahmen nötig, um das Problem an unterschiedlichen Stellen zu packen und die Versorgungslage angesichts der Möglichkeiten der Medizin und der älter werdenden Gesellschaft zu sichern und zu verbessern, so Miller weiter.
Die 150 zusätzlichen Medizinstudienplätze pro Jahr in Baden-Württemberg seien ein guter Ansatz, findet der Kammerpräsident. „Allerdings werden die ersten jungen Kolleginnen und Kollegen, die heute das Studium aufnehmen, frühestens in etwa zwölf Jahren alleinverantwortlich in der Versorgung zur Verfügung stehen. Wir müssen das bedenken, wenn wir die Zukunft unserer Gesundheitsversorgung in den Blick nehmen.“
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