Ärzteschaft

BÄK-Präsident Reinhardt sorgt sich um ärztliche Unabhängigkeit

  • Freitag, 30. September 2022
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) /Jürgen Gebhardt
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) /Jürgen Gebhardt

Berlin – Das Gesundheitswesen gerät immer mehr in eine Schieflage. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Kommerzialisierung der Medizin, die von der Politik seit Jahrzehnten vorangetrieben wird. Die Bundesärzte­kammer (BÄK) legte daher heute ein Papier mit „Thesen zur Ökono­misierung der ärztlichen Berufstätigkeit“ vor.

Wenn betriebswirtschaftliche Ziele in den Mittelpunkt rückten, stünde die ärztliche Unabhängigkeit auf dem Spiel – und mit ihr die Sicherheit und das Wohl der Patienten, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt.

Selbst­verständlich bestehe in einer als Solidargemeinschaft angelegten Krankenversicherung die Pflicht zu sparsamem Handeln, betont die BÄK ihrem Papier. „Wenn aber die ökonomischen Bewertungskriterien eine Übergewichtung erhalten, so werden rein ökonomische Ziele sukzessive zu den neuen Zielen der Medizin“, heißt es weiter.

So setze das System der diagnosebezogenen Falloauschalen (DRG) zur Krankenhausfinanzierung Anreize zur Fallzahlensteigerung, werte die Indikationsqualität ab und belohne Aktionismus. Verloren geht aus Sicht der BÄK dabei auch das Bewusstsein für die Möglichkeit, dass gutes ärztliches Handeln auch im Unterlassen bestehen kann.

Reinhardt fordert aus diesem Grund, die Krankenhausfinanzierung umfassend zu reformieren. „Das Fallpau­schalensystem ist gescheitert. Es führt zu einer grundlegenden Fehlsteuerung, weil es Krankenhäuser dazu motiviert, sich nach industriellen Gesichtspunkten zu organisieren. Wichtige Aspekte der ärztlichen Tätigkeit werden hingegen nicht honoriert, beispielsweise die Fürsorge für den Patienten.“

Daher sei es grundsätzlich zu begrüßen, dass die Bundesregierung eine Reform der Krankenhausfinanzierung plant. „Das System muss endlich wieder vom Kopf auf die Beine gestellt werden“, so Reinhardt.

Im Thesenpapier der BÄK findet sich eine Reihe von Vorschlägen, wie eine solche Reform aussehen könnte. Notwendig sei ein Finanzierungssystem, das Ärztinnen und Ärzte darin fördert, dem einzelnen Patienten ge­recht zu werden.

Die BÄK fordert außerdem, den tatsächlichen Personalbedarf realistisch zu messen und die Zuwendung zum Patienten in den Mittelpunkt zu rücken. Demgegenüber müssten die bisherigen quantitativen Vergütungs­merk­male zurücktreten.

„Ein neues Vergütungssystem muss die Unterschiede zwischen den Kostenstrukturen der Krankenhäuser stärker abbilden“, heißt es in dem vom Ausschuss für ethische und medizinisch-juristische Grundsatzfragen der BÄK erarbeiteten Papier weiter. „Es sollte erlösunabhängige pauschalierte Vergütungskomponenten zur Deckung fallzahlunabhängiger Vorhalte- und Personalkosten sowie fallzahlabhängige Vergütungsanteile kombi­nieren.“

Finanzielle Fehlsteuerungen sieht die BÄK auch im ambulanten Bereich. Auch der Einheitliche Bewertungs­maßstab setze Anreize zu einer Durchschleusungsmedizin unter Inkaufnahme einer Einschränkung der psychosozialen Versorgung. Sie warnt davor, bei der Einführung der sogenannten Hybrid-DRGs die im stationären Bereich gemachten Fehler in der ambulanten Versorgung zu wiederholen.

„Krankenhäuser und ambulante Praxen sind Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und müssen so betrieben werden, dass ihre Orientierung am Patientenwohl erkennbar wird und erhalten bleibt“, mahnt die BÄK. Hierfür müsse die Unabhängigkeit der Therapieentscheidung geschützt und eine Ausrichtung ärztlicher Entscheidungen auf betriebswirtschaftliche Kennziffern verhindert werden.

EB

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