Bahr sieht Fehlanreize für Operationen in Krankenhäusern

Berlin – Die steigende Zahl von Operationen in Krankenhäusern lässt sich laut Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nicht allein durch die älter werdende Bevölkerung oder den medizinisch-technischen Fortschritt erklären. Das erklärte der Minister heute bei seiner Eröffnungsrede zu der Konferenz „Mengenentwicklung im Krankenhausbereich – Managing Hospital Volumes“. Veranstalter sind das Bundesministerium für Gesundheit und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung.
„Die stetig steigende Mengenausweitung führt zu höheren Kosten, zu einer Arbeitsverdichtung in den Kliniken, die Patienten, das pflegerische und ärztliche Personal belasten“, sagte Bahr. Es sei wichtig, Anreize so zu setzen, dass „die Kliniken profitieren, die eine gute Behandlung anbieten und nicht die, die einfach nur mehr operieren“, so der Minister.
Laut aktuellen Zahlen der OECD nimmt Deutschland im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz bei den Krankenhausleistungen ein. So erhalten pro 100.000 Einwohner in Deutschland doppelt so viele Menschen eine künstliche Hüfte wie im OECD-Durchschnitt. Über einen heute vorgestellten entsprechenden Bericht der OECD hatte das Deutsche Ärzteblatt bereits im Vorfeld berichtet.
„Es wird zu viel und zu schnell operiert, das schadet den Patienten und den Beitragszahlern“, kritisierte die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Ulrike Elsner. Das heutige Vergütungssystem belohne Krankenhäuser, die statt Qualität Masse produzierten. Das Geld müsse stattdessen zielgenauer fließen. Künftig sollten laut vdek nur Krankenhäuser mit einer guten Behandlungsqualität einen Anspruch auf die volle Vergütung haben.
Ähnlich äußerte sich AOK-Chef Jürgen Graalmann. Das pauschale Vergütungssystem müsse so weiterentwickelt werden, dass es sich künftig nicht mehr finanziell lohne, unnötige Operationen vorzunehmen, erklärte er. Die Kassen sollten die Möglichkeit erhalten, bei planbaren Eingriffen nur noch jene Krankenhäuser zu vergüten, die eine hohe Qualität aufweisen.
Die zunehmende Tendenz zur Ökonomisierung der Medizin, hervorgerufen durch die diagnosebezogenen Fallpauschalen, gehe eindeutig zulasten der Patienten, sagte Bundesärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery. Daher begrüße er den Forschungsauftrag der Bundesregierung zur Mengenentwicklung in Krankenhäusern, um diesem Trend entgegenzuwirken.
Gleichzeitig verwies Montgomery darauf, dass die OECD-Studie wieder einmal zeige, dass das Gesundheitswesen in Deutschland zu den besten der Welt gehört. Da die Kassen offensichtlich eine Versorgung nach OECD-Durchschnitt wollen, müssten sie ihren Versicherten auch sagen, „dass das nur geht, wenn das medizinische Versorgungsniveau in Deutschland drastisch abgesenkt wird“, betonte der Ärztekammerpräsident.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hatte begrüßt, dass die OECD-Untersuchung deutschen Kliniken ein hohes Qualitätsniveau bescheinige. Gleichzeitig kritisierte die DKG Schlussfolgerungen der OECD-Autoren, die sich aus dem Vergleich zwischen Deutschland und staatlich gesteuerten und stark reglementierten Gesundheitssystemen ergäben und daher nicht angemessen seien.
Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Krankenhausbehandlungen steigen in diesem Jahr voraussichtlich auf rund 65 Milliarden Euro. Bahr hatte vor kurzem angekündigt, die Mengensteuerung bei Krankenhausleistungen auf eine neue Grundlage zu stellen, um wirtschaftliche Fehlanreize zu vermeiden.
Dazu hat die Bundesregierung die DKG, den GKV-Spitzenverband und den Verband der privaten Krankenversicherung beauftragt, einen gemeinsamen Forschungsauftrag zur Mengendynamik zu vergeben. Ziel ist es, Lösungsvorschläge für eine Leistungsentwicklung im medizinisch notwendigen Umfang zu entwickeln. Die Ergebnisse sollen bis Ende Juni diesen Jahres vorliegen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: