Politik

Bahr: Wir wollen keine Ärzte zu Sterbehelfern machen

  • Montag, 6. August 2012
Uploaded: 24.04.2012 12:40:40 by mis
Daniel Bahr dapd

Berlin – Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat den Gesetzentwurf von Bundes­justiz­ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (beide FDP) zur Sterbehilfe verteidigt. „Vieles wird in der Debatte bewusst missverstanden“, sagte Bahr der Passauer Neuen Presse vom Montag. Es sei ausdrücklich nicht das Ziel, „Ärzte zu Sterbe­helfern zu machen“. Stattdessen solle ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, „damit die Sterbehilfe eben nicht zum Geschäftsmodell wird“.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hatte kritisiert, die Justizministerin würde mit dem Gesetzentwurf die gesetzlichen Grundlagen schaffen, Ärzte zu Sterbehelfern zu machen. Dies lehnte er aber kategorisch ab: „Als Sterbehelfer stehen wir Ärzte nicht zur Verfügung,“ betonte Montgomery.

Weiter erklärte Bahr, Beihilfe zum Suizid sei schon nach jetziger Rechtslage keine Straftat. Er glaube nicht, dass es durch die Neuregelung zu einem Dammbruch komme. „Der Gesetzentwurf hat ein Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe zum Ziel. Das wäre ein großer Fortschritt, denn ein solches Verbot hat es bisher nicht gegeben“, erklärte der Minister. Dennoch müsse man berücksichtigen, dass es Krebspatienten oder andere Sterbenskranke gebe, die ihre Angehörigen oder ihre Begleiter in Suizid-Überlegungen einbezögen. „Das sollten wir zur Kenntnis nehmen“, so Bahr.

Inzwischen mehren sich die Forderungen nach einer besseren Versorgung von Schwerstkranken und Sterbenden. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) mahnte am Wochenende in der Passauer Neuen Presse, Hospiz- und palliativme­dizinische Angebote sowie die Pflege im häuslichen Umfeld auszubauen. Ähnlich äußerte sich die Deutsche Hospiz Stiftung. Bislang fehlten vor allem Ansätze, um die Folgen des demografischen Wandels zu bewältigen, sagte der Chef der Patientenschutz­organisation, Eugen Brysch. „Es gibt kein Zukunftskonzept für eine älter werdende Gesellschaft.“

Am Wochenende riss die Kritik am Gesetzentwurf Leutheusser-Schnarrenberger nicht ab. Montgomery warf der Bundesjustizministerin in der Frankfurter Allgemeinen Sonntags­zeitung (FAS) mangelnde Sorgfalt vor. Montgomery bezeichnete dies als „absurd“. Wenn einerseits die gewerbsmäßige Sterbehilfe verboten werde und andererseits Ärzte unter den Bedingungen der Gewerbsmäßigkeit doch Beihilfe leisten dürften, sei das widersinnig. Der Ärztekammer-Präsident forderte, den entsprechenden Passus des Gesetzentwurfs komplett zu streichen.

„Dass man Ärzte privilegiert, ist völlig überflüssig und hat in diesem Gesetzentwurf nichts zu suchen“, betonte er. „Wir sind erschrocken, weil diese Neuerung den eigentlich guten Zweck dieses Gesetzentwurfs, nämlich gewerbliche Sterbehilfe zu verbieten, in sein Gegenteil verkehrt.“

Der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) rief in der FAS Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dazu auf, die missverständlichen Passagen in ihrem Entwurf klarzustellen. „Ärzte oder Pflegepersonal dürfen sich nicht an dem Geschäft mit dem Tod beteiligen.“ Ähnlich äußerte sich der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, in der Bild am Sonntag.

Kauder und Spahn bezogen sich auf den Passus, wonach Ärzte und Pfleger unter bestimmten Bedingungen straffrei bleiben sollen, wenn sie Sterbehilfe unterstützen. Voraussetzung ist, dass sie zu den Patienten eine „über das rein berufliche Verhältnis hinausgehende, länger andauernde persönliche Beziehung“ gehabt haben.

Laut einer Umfrage der Bild am Sonntag befürwortet fast jeder zweite Deutsche die gewerbsmäßige Sterbehilfe. Dieses Ergebnis zeige, so die Deutsche Hospiz Stiftung, welche Angst die Menschen vor Krankheit und Tod hätten und welche Last schon jetzt auf vielen Schwerkranken liege. Sie würden durch solche „herabwürdigende Haltungen“, wie sie in der Umfrage zum Ausdruck kämen, dazu gedrängt, ihrem Leben vorzeitig ein Ende zu setzen.

ZdK-Präsident Alois Glück verwies auf die Situation in den Niederlanden, Belgien und der Schweiz. Dort gebe es einen wachsenden gesellschaftlichen Druck bis hin zur aktiven Sterbehilfe. Der Sparzwang im Gesundheitswesen verstärke diesen Trend auch in Deutschland. Der Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium sei ein Beispiel dafür, «dass die schleichende Grenzüberschreitung in eine ganz gefährliche Entwicklung mündet.

kna/EB

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