Barmer plädiert für zentrierte Versorgung von Bauchaortenaneurysmen

Berlin – Die Barmer setzt sich für eine stärkere Bildung von Zentren zur Versorgung von planbaren komplizierten Operationen ein. Als Beispiel nennt die Krankenkasse in ihrem diesjährigen Krankenhausreport die Versorgung von Patienten mit Bauchaortenaneurysma: Hier hänge das Sterberisiko von Patienten im Falle einer planbaren Operation deutlich davon ab, in welchem Krankenhaus der Eingriff vorgenommen werde.
„So war die Sterberate drei Jahre nach einem planbaren Eingriff um zwei Prozentpunkt geringer, wenn die Operation nicht offen-chirurgisch, sondern minimal-invasiv erfolgte“, heißt es von der Kasse bei der Vorstellung des Reports vor Journalisten. „Zudem war die Sterblichkeitsrate um 2,3 Prozentpunkte geringer, wenn der minimal-invasive Eingriff in einem zertifizierten Gefäßzentrum durchgeführt wurde“, hieß es weiter. Die zweitgrößte Krankenkasse in Deutschland erwartet einen deutlichen Anstieg von planbaren Opertionen der Bauchaorta, da es seit Beginn des Jahres ein Früherkennungsscreening bei Männern ab 65 Jahren als Leistung der Krankenkassen gibt.
50 Eingriffe als Mindestmenge
Barmer-Chef Christoph Straub sprach sich heute für die Einführung für Mindestmengen auch für die Eingriffe an der Bauchaorta aus. „Wir fordern eine Mindestmenge von 50 Eingriffen pro Jahr und Standort“, so Straub vor Journalisten. Zu seiner geäußerten Forderung, diese Mindestmenge auch auf den einzelnen Operateur anzusetzen, äußerte Straub sich auf Nachfrage nicht erneut. „Für diese anspruchsvollen Eingriffe ist Erfahrung und Routine notwendig, daher setzen wir auf mehr Zentren und wollen auch Kliniken, die heute schon hohe Op-Zahlen haben, ermutigen, sich zusätzlich als Zentrum zu zertifizieren“, so Straub weiter.
Diese Zertifizierung nimmt seit 2003 die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie vor, bis Ende 2017 gab es 109 Zentren in Deutschland. Nach Analyse des RWI-Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung werden die Eingriffe an 511 Krankenhäusern vorgenommen. Diese sind für die Bevölkerung zu 98 Prozent innerhalb von 45 Minuten Fahrtzeit erreichbar, für 36,3 Prozent der Bevölkerung in zehn Minuten.
Versorgung wäre nicht gefährdet
Zählte man die Krankenhäuser, die weniger als 50 Eingriffe pro Jahr vornehmen, in dieser Statistik nicht mehr mit, würden noch 74,8 Prozent der Bevölkerung ein entsprechendes Krankenhaus innerhalb von 45 Minuten, und 13,4 Prozent ein Krankenhaus in zehn Minuten erreichen. „Damit ist die Zentralisierung der Versorgung grundsätzlich möglich, ohne die wohnortnahe Versorgung zu gefährden“, erklärte Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit am RWI – Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen.
In der Analyse der Versichertendaten hat die Krankenkasse ebenso festgestellt, dass es deutliche Unterschiede bei den Operationsmethoden im Vergleich der Bundesländer gibt: So werden in Sachsen zu 85,7 Prozent der Fälle minimal-invasive Verfahren angewendet, im Saarland nur zu 60,9 Prozent. „Wir empfehlen, dass die minimal-invasiven Verfahren favorisiert und möglichst weiter entwickelt wird“, sagte Augurzky.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisierte die Darstellung der Krankenkasse: „Die Behauptung, Bauchaortenpatienten seien in Abhängigkeit von Operationstechnik und Klinik signifikant unterschiedlichen Sterbewahrscheinlichkeiten ausgesetzt, kann durch dieses Studiendesign in keinster Weise belegt werden“, heißt es in einer Mitteilung.
Wenig verantwortliche Aufklärungsarbeit einer Krankenkasse
Den Erfolg einer hochkomplexen Bauchaortenaneurysma-Operation drei Jahre nach der Operation aus den Abrechnungsdaten mit einer absolut unzureichenden Risikoadjustierung messen zu wollen, ist schon gewagt“, sagte DGK-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Daraus Sterberisiko-Warnungen abzuleiten, sei „eine wenig verantwortliche Aufklärungsarbeit einer gesetzlichen Krankenkasse“.
Die DKG stelle sich aber der Debatte um Mindestmengen. Allerdings sei – nach Darstellung der DKG – in der damaligen Debatte, die Einführung von Mindestmengen bei Bauchaneurysmen auf Betreiben des GKV-Spitzenverbandes nicht weiter verfolgt worden. Die DGK mahnte die Krankenkassen ebenso an, die Bildung von Versorgungszentren nicht weiter zu blockieren, damit hier weitere Zentren gebildet werden können.
Screening für Männer ab 65
Das ambulante Screening für Männer ab 65 wurde 2016 vom Gemeinsamen Bundesausschuss als Kassenleistung beschlossen. Seit Anfang 2018 können Versicherte dies in Anspruch nehmen. Da die Krankenkassen nicht dazu verpflichtet wurden, die betroffene Personengruppe wie bei anderen Screenings anzuschreiben, appelliert beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie an Ärztinnen und Ärzte, Patienten ab 65 Jahren auf das Screening anzusprechen.
Das Screening dürfen Hausärzte, Urologen, Internisten, Chirurgen und Radiologen durchführen, mit entsprechender Genehmigung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung. Um die Genehmigung zu erhalten, muss die fachliche Befähigung gemäß der Ultraschallvereinbarung nachgewiesen werden. Wer als Arzt der genannten Fachgruppen keine Genehmigung für die Bauchaorta-Sonografie hat, kann ein entsprechendes Aufklärungsgespräch durchführen.
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