Politik

Bei Krankenhausreform deuten sich zeitliche Verzögerungen an

  • Freitag, 6. Juni 2025
/spotmatikphoto, stock.adobe.com
/spotmatikphoto, stock.adobe.com

Berlin – Im Krankenhausreformgesetz ist eine Rechtsverordnung vorgesehen, die zeitnah die Vorgaben der Leistungsgruppen – das Kernstück der Reform – definieren soll. Die Bundesländer warten derzeit auf die Angaben in der Verordnung, um ihre Krankenhausplanung nach den Regeln der Krankenhausreform starten zu können.

Diese Verordnung könnte möglicherweise ausbleiben – und durch ein Gesetz ersetzt werden. Das zumindest sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, gestern Abend bei einer Veranstaltung der Deutschen Schmerzgesellschaft und des Verbands Gesundheitsstadt Berlin. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es heute vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nicht.

Käme es so, wie von Gaß erklärt, würde sich aber der Zeitplan für die Umsetzung der Reform deutlich verzögern. Das entsprechende Gesetz soll nach der Sommerpause – also ab Mitte September – erst ins Bundeskabinett. Bis es durch Bundestag und vermutlich Bundesrat wäre, würde es vermutlich bis Ende des Jahres dauern.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) habe angekündigt, dass sie im Sommer ein Vorschaltgesetz machen werde, so auch Gaß. „Sie wird dann etwas tun, was so gar nicht zu erwarten war. Denn eigentlich sollte eine Rechtsverordnung zwischen Bund und Ländern regeln, wie das mit den Leistungsgruppen und den Vorgaben weitergeht. Das soll jetzt nicht mehr kommen“, sagte Gaß.

In dem Vorschaltgesetz soll demnach eine Anlage eingefügt werden, in der die personellen und technischen Vorgaben für die Leistungsgruppen abschließend definiert werden. Klargestellt werden soll darin auch, wie Fachkliniken definiert werden oder wie die belegärztliche Versorgung vorgesehen ist. Das Gesetz wäre Gaß zufolge im Bundesrat zustimmungspflichtig. Das BMG äußerte sich auf Nachfrage bislang nicht dazu.

Im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) gibt es bereits eine solche Anlage, die aber nur übergangsweise gelten sollte, bis sie durch eine Rechtsverordnung abgelöst werden würde. Derzeit tagt ein neu gegründeter Leistungsgruppenausschuss mit Vertretern der Krankenkassen, Ärzteschaft, Krankenhäuser und Pflege, um inhaltliche Empfehlungen für diese Leistungsgruppenvorgaben zu erarbeiten. Die Rechtsverordnung sollte dem KHVVG zufolge eigentlich bis zum 31. März bereits erlassen worden sein.

Eine mögliche Nichtumsetzung der Rechtsverordnungen – eine weitere zu geplanten Mindestvorhaltezahlen soll bis Dezember 2025 erarbeitet und erlassen werden – stößt hingegen auf Ablehnung innerhalb der Regierungskoalition.

„In der Koalition haben wir noch nicht abschließend darüber gesprochen, wie wir die Krankenhausreform weiterentwickeln wollen“, sagte Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion dem Deutschen Ärzteblatt.

„Klar ist: Eine Weiterentwicklung – etwa bei der Abstandsregelung von 2.000 Metern – ist notwendig. Eine Verwässerung der Reform wird es jedoch nicht geben.“ Wer die Standards senken will, müsse erklären, warum – und welche Folgen das für Qualität und Versorgungsergebnisse hätte.

Nichtumsetzung der Rechtsverordnungen gesetzeswidrig

Versorgungsengpässe seien Pantazis zufolge hingegen ein Sonderfall – da stünde die Sicherstellung der Versorgung im Vordergrund. „Aber wenn wir jährlich über 100 Milliarden Euro für den stationären Bereich ausgeben und damit international an der Spitze liegen, dürfen wir bei der Qualität nicht ins Mittelfeld abrutschen. Das sind wir den Patientinnen und Patienten schuldig.“

Pantazis verdeutlichte weiter: „Wir stehen im engen Austausch mit der Ministerin und haben vereinbart, die offenen Fragen sorgfältig zu besprechen. Seine Erwartung: „Als Regierungskoalition mit einem gemeinsamen Koalitionsvertrag müssen wir zur Reform stehen.“ Er sei überzeugt, dass die Koalition auf dieser Basis tragfähige Kompromisse finde.

Der SPD-Politiker verdeutlicht aber auch: „Eine Nichtumsetzung der Rechtsverordnungen würde dem widersprechen. Ich glaube deshalb nicht, dass die Ministerin sich dieses Ziel zu eigen machen würde, sondern dass wir hier zu einem guten Miteinander kommen werden.“

Aus der Opposition gab es Kritik an einem solchen Vorgehen. „Es besteht Grund zur Sorge, dass die neue Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern und der Deutschen Krankenhausgesellschaft plant, das geltende Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz mit all seinen verbindlichen Fristen schlicht nicht vollständig umzusetzen – und stattdessen auf ein neues Gesetz zu warten, das die bisherigen Vorgaben und Fristen womöglich wieder einkassiert“, sagte Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen dem Deutschen Ärzteblatt.

„Konkret hieße das: Die noch ausstehenden Verordnungen zu Leistungsgruppen und Mindestvorhaltezahlen würden gesetzeswidrig gar nicht in Kraft gesetzt.“ Er warne die neue Koalition davor, den „hart errungenen Kompromiss zwischen Bund, Ländern und Gesundheitsakteuren“ wieder aufzuschnüren.

Gesundheitspolitik auf Bundesebene trage Verantwortung – nicht nur für die Stabilität der Sozialversicherungen, sondern auch für die Patientensicherheit. „Eine Reform, die ohnehin schon an Schlagkraft verloren hat, würde dadurch vollends entkernt“, kritisiert Dahmen.

Werde die Reform – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – um ein Jahr verschoben, habe das drei schwerwiegende Folgen, erläuterte Dahmen. „Erstens gehen dringend benötigte Finanzmittel verloren. Zweitens bleibt den Krankenhäusern weiter unklar, wie sie sich zukunftsfähig aufstellen sollen. Und drittens – und das wiegt am schwersten – bleiben Patientinnen und Patienten einer gefährlichen Fehl- und Überversorgung ausgesetzt.“

Sie erhielten Leistungen in Kliniken, die dafür weder personell noch strukturell geeignet seien. „Konkret heißt das: Menschen laufen Gefahr, Schaden zu nehmen, weil Krankenhäuser Leistungen abrechnen dürfen, für die sie weder die Ausstattung noch das qualifizierte Personal haben.“

Werde die Reform nun weiter entkernt und verwässert, droht statt Fortschritt der Rückschritt, befürchtet der Grünen-Politiker. Die stationäre Versorgung könnte nicht nur hinter den heutigen Ansprüchen an Qualität und Wirtschaftlichkeit zurückfallen – sie könnte schlechter werden als im bestehenden DRG-System. „Transparenz ginge verloren, Anreize zur Verbesserung verschwänden, Vertrauen würde verspielt.“

cmk/bee

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung