Krankenhausreform weiterentwickeln und Weiterbildung mitdenken

Leipzig – Die schwarz-rote Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgehalten, dass die Krankenhausreform fortgeführt und weiterentwickelt werden soll. Die Delegierten des 129. Deutschen Ärztetags begrüßten das heute.
Es sei richtig, sowohl die Leistungsgruppensystematik als auch die Vorhaltevergütung nochmals zu überprüfen und wo erforderlich anzupassen und die Übergangsphase verlängern zu wollen, hieß es. Zunächst müsse die Fallzuordnung zu den geplanten 61 Leistungsgruppen gut aufeinander abgestimmt und wo nötig, angepasst werden.
Die Leistungsgruppensystematik müsse korrigiert werden, weil es nicht sinnvoll sei, jede stationäre Leistung einer Leistungsgruppe zuzuordnen, forderte der Ärztetag. Perspektivisch müsse es eine Weiterentwicklung der Systematik geben, zu der auch die Prüfung der Aufnahme weiterer Leistungsgruppen gehört.
Künftig sollen die Bundesländer allen Kliniken zunächst 61 Leistungsgruppen zuweisen, ab 2027 sollen die neuen Krankenhauspläne stehen. Nur wer eine bestimmte Leistungsgruppe hat, darf künftig dazugehörige stationäre Leistungen erbringen. Ziel ist die Steigerung der Qualität der Patientenversorgung.
Diskutiert wurde heute die Aufnahme einer weiteren Leistungsgruppe Schmerzmedizin. Einige, darunter Andreas Botzlar aus Bayern, Daniel Wellershaus aus Nordrhein, Jörg Weimann aus Berlin oder Lydia Berendes aus Nordrhein sprachen sich dafür aus.
Der Ärztetag verabschiedete einen Antrag, der die Bundesregierung und die Bundesländer bittet, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Weiterexistenz der speziellen schmerzmedizinischen Versorgung ermöglichen. Zielführender als die bloße Einführung einer eigenen Leistungsgruppe wäre dabei eine grundsätzliche Anpassung des Leistungsgruppensystems.
Guido Judex aus Bayern pochte zudem auf die Einführung der Leistungsgruppen Spezielle Kinder- und Jugendmedizin sowie Spezielle Kinder- und Jugendchirurgie. Kinder müssten in speziellen Abteilungen versorgt werden und könnten nicht einfach neben 80-Jährigen im Krankenhaus liegen, kritisierte er. Der entsprechende Antrag wurde nicht beschlossen, sondern zur weiteren Bearbeitung an den Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) überwiesen.
BÄK-Vizepräsidentin Susanne Johna warnte davor, zu viele neue Leistungsgruppen in das neue System aufnehmen zu wollen. Zunächst müsse man die Leistungsgruppen, die es schon gebe, sinnvoll umsetzen, betonte sie. Danach könne man sich zu weiteren Gedanken machen.
Fallzahlunabhängige Vorhaltefinanzierung gefordert
Der Ärztetag sprach sich darüber hinaus dafür aus, dass die geplante Vorhaltefinanzierung fallzahlunabhängig ausgestaltet werden müsse. Ein entsprechendes Konzept müsse jetzt mit Akteuren aus der Versorgung erarbeitet werden.
In weiteren Anträgen wurde der Gesetzgeber aufgefordert, den Leistungsgruppen-Grouper des Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) in der derzeitigen Form nicht zur Umsetzung der Krankenhausreform in Deutschland zuzulassen. Er sei nicht nur ungeeignet, sondern könne auch zu nicht überschaubaren und damit unverantwortlichen Verwerfungen für eine bedarfs- und qualitätsorientierte Krankenhausplanung sowie eine stabile Vorhaltefinanzierung führen. Zur Erklärung: Mit dem Grouper soll künftig jeder stationäre Fall einer Leistungsgruppe zugeordnet werden.
Die Fallzuordnung zu den Leistungsgruppen müsse überprüft und schnellstmöglich eine sachgerechte Lösung gefunden werden. Etwa beim Harnwegsinfekt gebe es häufig keine eindeutige Zuordnung, erklärte Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Bei einigen Querschnittsleistungen müsse man über verschiedene Disziplinen hinweg arbeiten können, forderte er.
Bei der Umsetzung der Krankenhausreform müssen die Ärztekammern einbezogen werden, forderten die Delegierten weiter. Der Grund: Die Krankenhausreform betreffe nicht nur den stationären Sektor, sondern auch die ambulanten Versorgungsstrukturen und die Weiterbildungsstrukturen.
Krankenhäuser und Ärzte sollen ärztliche Personalbemessung unterstützen
Dass ein ärztliches Personalbemessungsinstrument im Zuge der Reform angedacht und erprobt wird, begrüßte die Ärzteschaft. Der Gesetzgeber müsse dieses System per Rechtsverordnung offiziell einführen. Krankenhausärztinnen und -ärzte sowie Krankenhausträger werden dazu aufgerufen, die Erprobung des Systems aktiv zu unterstützen.
Weiter sei wichtig, die Krisenresilienz der Kliniken zu stärken. „Neben baulichen Maßnahmen für Klimaanpassung und Investitionen in die Cybersicherheit müssen auch Reservekapazitäten kritischer Versorgungsstrukturen sowie spezialisierte Versorgungsbereiche mitgeplant und umgesetzt werden.“ Dafür seien zudem ausreichende Mittel aus dem geplanten Sondervermögen Infrastruktur bereitzustellen, forderte der Ärztetag.
Auch die Weiterbildung im Zuge der Krankenhausreform war Thema. Die Ärztekammern werden aufgefordert, anerkannte, regionale, standort- und sektorenübergreifende Weiterbildungsverbünde weiterhin systematisch zu fördern. Bei Auswahlentscheidungen im Rahmen der Zuteilung von Leistungsgruppen seien Krankenhäuser zu bevorzugen, die sich an solchen Verbünden beteiligen, betonte die Ärzteschaft. Rechtliche Hürden für die erfolgreiche Umsetzung von Weiterbildungsverbünden sind abzubauen.
Weiterbildungsverbünde müssten sinnvoll gestaltet werden, damit verschiedene Versorgungsstufen ohne einen Nachteil für die Ärztinnen und Ärzte durchlaufen werden könnten, erklärte Franziska Fick aus Schleswig-Holstein.
Finanzierung der Weiterbildung schnell ermöglichen
Und: Die im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) und in der Krankenhaustransformationsfonds-Verordnung (KHTFV) enthaltenen ersten Ansätze zur finanziellen Förderung der Weiterbildung müssen umgesetzt und zu einer umfassenden Finanzierung der Weiterbildung im stationären wie ambulanten Bereich weiterentwickelt werden, lautete eine weitere Forderung. Jörg Weimann aus Berlin erinnerte das InEK in seinem Redebeitrag daran, dass es bis zum 31. Dezember 2025 ein entsprechendes Finanzkonzept vorlegen müsse.
Die zunehmende Spezialisierung im Rahmen der Reform dürfe nicht zu einer strukturellen Schwächung der fachärztlichen Weiterbildung führen. Entsprechend sei eine weitere Zersplitterung der Fachgebiete zu verhindern. Um eine rotationsbasierte Weiterbildung über Sektorengrenzen hinweg rechtssicher zu ermöglichen, werden gesetzliche Anpassungen über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung sowie im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz benötigt.
Zudem sind die Bundesländer bei der Umsetzung der Reform aufgefordert, künftig eine „qualitativ hochwertige und sozial verträgliche Weiterbildung“ zu sichern. Im Bedarfsfall müssten sie konkretisierende Vorgaben zu Weiterbildungs- und Mitwirkungspflichten in ihren Krankenhausgesetzen treffen. Dies sei insbesondere angesichts einer Konzentration und Reduzierung von Krankenhausstandorten erforderlich.
Weiter brauche es eine sachgerechte Finanzierung der mit der ärztlichen Weiterbildung verbundenen Mehrkosten, fordert der Ärztetag. „Die erforderlichen Konzepte des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus zur Bemessung der finanziellen Mehrbelastungen aus der Weiterbildung müssen zeitnah erstellt und auf dieser Grundlage Vergütungssystematiken definiert werden, die die realen Kosten der Weiterbildung abbilden.“
Bereits jetzt müsse die Weiterbildung in den Fokus genommen werden, betonte Anne Machka aus Mecklenburg-Vorpommern. An ihrer Klinik seien schon große Unsicherheiten aufgrund der geplanten Reform zu spüren.
Die Landesärztekammern müssten zudem darauf einwirken, dass Ausbildung und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten nicht durch den fortschreitenden Einsatz von Physician Assistants (PAs) beeinträchtigt werden, forderten die Delegierten.
Krankenhausreform in der Lehre mitdenken
Bei der Umsetzung des KHVVG müsste auch die damit verbundene unterrichtsrelevante Minderung der Fallzahlen in Leistungsgruppen an Universitätsklinika für die Lehre mitgedacht werden, heißt es in einem weiteren angenommenen Antrag. Um die Breite der Medizin auch künftig im Studium abbilden zu können, müssten ausreichend personelle und infrastrukturelle Ressourcen sichergestellt sowie übergebührliche Belastungen etwa für Reise- und Übernachtungskosten für Studierende verhindert werden.
Um die Bürokratisierung im Zuge der Krankenhausreform zu reduzieren, erwartet der Deutsche Ärztetag zudem in den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung ein Bürokratieentlastungsgesetz in der Gesundheitsversorgung. Damit sollen auch die Kontrollmechanismen des Medizinischen Dienstes (MD) im Rahmen der Umsetzung der Krankenhausreform massiv reduziert werden. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) müsse die Prüfungsrichtlinie des MD neu bewerten und dem angekündigten Abbau von unnötigen Dokumentationspflichten Vorrang geben.
Aufgrund der Konzentration von Standorten brauche es funktionsfähige Strukturen und eine entsprechende Finanzierung von ausreichend ärztlichem und nichtärztlichem Personal für das erhöhte Transporterfordernis von Patientinnen und Patienten zwischen den Krankenhäusern.
Geburtshilfe stärken
Weiter fordert der Ärztetag die Bundesregierung auf, zunächst Betreuungs- und Weiterbildungsszenarien zu prüfen, bevor perinatalmedizinische Kompetenzverbünde, wie von der Regierungskommission Krankenhaus vorgeschlagen, eingeführt werden. „Die Ärztinnen und Ärzte Deutschlands unterstützen eine risikogerechte geburtshilfliche Versorgung und auch eine damit verbundene weitere Zentralisierung, aber mit Augenmaß und entsprechenden Notfallkonzepten für die Versorgung in Risikosituationen.“
Stattdessen seien Bundes- und Landesgesetzgeber aufgefordert, die anhaltende Welle von Kreißsaalschließungen durch geeignete Maßnahmen zu stoppen und für einen Erhalt bedarfsnotwendiger geburtshilflicher Abteilungen zu sorgen, heißt es in einem weiteren Antrag.
Eleonore Zergiebel aus Nordrhein machte darauf aufmerksam, dass viele Schwangere bereits von Kliniken abgewiesen werden würden, weil es in den vergangenen Jahren zunehmend zu Kreißsaalschließungen und Schließungen von Geburtshilfestationen gekommen sei. Dies liege an der nicht auskömmlichen Finanzierung der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG).
Rainer Holzborn aus Nordrhein sprach sich ebenfalls für eine ortsnahe Geburtshilfe aus. Diese sei notwendig und der „beste Gesundheitsschutz für Mütter und Kinder“. Wenn Kliniken zu viele geburtshilfliche Stationen übernehmen würden, sei diese „Fließbandmedizin“ nicht gut für die Schwangeren, bemängelte auch Alexander Nowicki aus Niedersachsen.
Neben der Krankenhausreform beschäftigte sich der Ärztetag mit weiteren Krankenhausthemen. So forderten die Delegierten die Krankenhausleitungen auf, einheitliche, professionsübergreifende Onboarding-Prozesse für alle neuen Mitarbeitenden einzurichten. Diese sollen die schnelle Integration neuer Beschäftigter in die fachlichen, organisatorischen, digitalen und sozialen Strukturen des Krankenhauses sicherstellen und die Arbeitszufriedenheit durch strukturierte Einarbeitung stärken.
Der Gesetzgeber wird zudem aufgefordert, sämtliche Bonuszahlungen im Gesundheitswesen, die auf ökonomische Zielerreichungsgrößen ausgerichtet sind, nicht nur zu verbieten, sondern auch wirksam zu sanktionieren. Zwar gebe es bereits Zielvereinbarungen, es fehlen hingegen Sanktionierungsmöglichkeiten. Wichtig sei die Fokussierung auf den tatsächlichen Bedarf der einzelnen Patientinnen und Patienten unter Berücksichtigung begrenzter gesellschaftlicher Ressourcen.
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