Besseres Überleben bei Lungenkrebs durch zentrale molekulare Diagnostik
Berlin – In Deutschland sterben jedes Jahr Menschen an Lungenkrebs, weil sie nicht die umfassende molekulare Diagnostik erhalten, die eine zielgerichtete Therapie ermöglichen würde. Die präzise molekulare Diagnostik des Lungenkarzinoms sei mittlerweile so komplex und aufwendig, dass sie von Krankenhäusern der Regelversorgung nicht mehr geleistet werden könne, erklärte Jürgen Wolf, Ärztlicher Leiter des Centrums für Integrierte Onkologie am Universitätsklinikum Köln bei der Jahrespressekonferenz der Deutschen Krebshilfe in Berlin.
Er plädierte deshalb dafür, eine zentrale molekulare Diagnostik und Therapieplanung an onkologischen Spitzenzentren einzuführen, die auch die Therapieplanung übernehmen. Die Behandlung selbst könne dann wohnortnah erfolgen. „Wenn wir ein dezentrales Gesundheitssystem beibehalten wollen, geht das nur mit Arbeitsteilung“, argumentierte der Mediziner.
Mit einer systemischen Chemotherapie haben unselektionierte Patienten mit fortgeschrittenem, nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) ein medianes Überleben von gerade einmal einem Jahr. Eine auf einer Bestimmung der Treibermutationen basierende zielgerichtete Therapie, die effizienter und besser verträglich ist als eine konventionelle Chemotherapie, ermöglicht Überlebenszeiten von fünf Jahren und mehr.
„Allerdings reicht es nicht, nur auf die wenigen Treibermutationen zu testen, für die es bereits zugelassene Therapien gibt und die deshalb von den Krankenkassen bezahlt werden“, betonte Wolf. Vielmehr müssten sämtliche bekannten Treibermutationen erfasst werden.
Wolf ist Sprecher des seit April 2018 von der Deutschen Krebshilfe geförderten Nationalen Netzwerks Genomische Medizin Lungenkrebs, welches aus 17 Diagnostikzentren, 182 Krankenhäusern und 120 Praxen besteht.
Hier wird seit gut einem Jahr die zentrale Diagnostik und Therapieplanung erprobt, die laut Wolf den einzigen Weg darstelle, um zu erreichen, dass alle Lungenkrebspatienten von einer personalisierten Therapie und der damit einhergehenden Verlängerung der Überlebenszeit profitieren können. Und dies mit Erfolg, wie der Kölner Onkologe betonte: „Wir haben den Beweis geliefert, dass eine harmonisierte molekulare Diagnostik, zentrale Datenhaltung und harmonisierte Therapieempfehlungen machbar sind.“
Blaupause für andere Tumorentitäten
Seit Projektbeginn sind pro Jahr 5.000 Patienten von mehr als 200 Netzwerkpartnern zentral molekular diagnostiziert worden. Für Gerd Nettekoven, den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Krebshilfe, liefert das Projekt „eine Blaupause auch für andere Tumorentitäten“ – wenn die Finanzierung geklärt sei.
Die umfassende molekulare Diagnostik aller bekannten Treibermutationen beim Lungenkarzinom ist keine Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Kostenerstattung der molekularen Diagnostik im Rahmen des Nationalen Netzwerks Genomische Medizin Lungenkrebs erfolgt über Sonderverträge mit einigen großen Krankenkassen. Über kurz oder lang sei eine Regelfinanzierung notwendig, so Nettekoven, da die Förderung der Deutschen Krebshilfe nach zwei Jahren auslaufe.
Die Entscheidung für den Lungenkrebs zur Erprobung einer zentralen Diagnostik sei unter anderem dadurch zustande gekommen, dass hier der Unterschied im Überleben zwischen Standardtherapie und personalisierter Therapie sehr groß sei, erklärte Wolf. Damit hätten sich auch die Krankenkassen leichter überzeugen lassen, sich zu beteiligen.
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