Politik

Bestürzung über Kabinetts­entscheidung zur Tarifeinheit

  • Donnerstag, 11. Dezember 2014

Berlin – Als „schwarzen Tag für gewerkschaftliche Grundrechte“ sieht der Marburger Bund (MB) das heutige Datum. Grund ist die Entscheidung des Bundeskabinetts zum sogenannten Tarifeinheitsgesetz, das Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorgelegt hatte. „Der Kabinettsbeschluss ist ein kapitaler Fehler. Nicht nur die 115.000 Mitglieder des Marburger Bundes, sondern Hunderttausende von Arbeitnehmern in anderen Gewerkschaften werden diese Entscheidung als Angriff auf ihre grundgesetzlich verbrieften Rechte verstehen“, sagte der Erste Vorsitzende des MB, Rudolf Henke.

Das Kabinett ignoriere damit nicht nur die Einwände von Gewerkschaften wie dem MB, sondern auch von Verfassungsjuristen, Arbeitsrechtlern und Wirtschaftsinstituten. Der MB hoffe jetzt auf die Beratungen im Deutschen Bundestag. „Die Bundesregierung hat heute bei vielen Menschen im ganzen Land Vertrauen zerstört, das sich nur dann wieder aufbauen lässt, wenn das Tarifeinheitsgesetz im Zuge der parlamentarischen Beratungen wieder komplett verschwindet“, stellte Henke klar.

Nach dem Gesetzentwurf (SPD) soll der Einfluss kleiner Gewerkschaften mit einer Schlüsselstellung in einem Betrieb eingeschränkt werden. Überschneiden sich die Geltungsbereiche verschiedener Tarifverträge, soll nur der Vertrag jener Gewerkschaft gelten, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat. Im Streitfall sollen die Arbeitsgerichte entscheiden.

Der Vorsitzende von dbb beamtenbund und tarifunion, Klaus Dauderstädt, sagte, das Gesetz sei darauf ausgerichtet, „Arbeitskämpfe kleinerer Gewerkschaften dadurch zu untersagen, dass sie von Arbeitsgerichten stets als unverhältnismäßig, weil auf ein rechtlich unmögliches Ziel gerichtet, angesehen würden“. Wenn ihr Tarifvertrag nicht mehr gelte, könnten sie auch nicht dafür streiken.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, verteidigte das Vorhaben. „Das Prinzip ‚ein Betrieb, ein Tarifvertrag‘ hat sich über 40 Jahre in Deutschland bewährt. Dies wieder hervorzuheben ist erklärtes Ziel des Gesetzentwurfs“, sagte er heute der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“. Insgesamt ist das Gewerkschaftslager aber gespalten: Die DGB-Gewerkschaften Verdi, Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lehnen das Gesetz ab.

Der ehemalige Verfassungsrichter Thomas Dieterich hält die geplante Regelung für verfassungswidrig. „Das Gesetz würde die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften eklatant einschränken. Das ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“, sagte Dieterich heute der Berliner Zeitung.

hil/dpa

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