Blinddarmpatienten blieben trotz erster Coronawelle gut versorgt

Berlin – Patienten mit Blinddarmentzündung wurden auch während des ersten Lockdowns in der Coronapandemie rechtzeitig operiert. Dies zeigen neue Daten der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) für den Zeitraum März bis August 2020, über die Experten heute auf der Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) unmittelbar vor Veröffentlichung der Auswertung berichteten.
Die Coronapandemie führte im Frühjahr 2020 zu bundesweiten Regelungen, die den Zugang zur medizinischen Versorgung beschränkten. Nicht dringliche, planbare Operationen wurden ausgesetzt, um Kapazitäten für die Behandlung von COVID-19-Patienten zu schaffen.
„Als Reaktion kam es zu Befürchtungen, dass sich die medizinische Versorgung verschlechtern könnte, dass beispielsweise Patientinnen und Patienten mit Blinddarmentzündungen zu spät operiert werden könnten“, berichtete Udo Rolle, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGCH). Wäre die Annahme zutreffend, hätte die Rate an komplizierten Blinddarmentzündungen ansteigen müssen.
Doch dieser Fall ist nicht eingetreten, wie eine gemeinsame Studie von DGCH und dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) zeigt. Die Häufigkeit von Operationen aufgrund einer komplizierten Blinddarmentzündung blieb im Jahr 2020 trotz des Lockdowns konstant. „Das ist entscheidend, denn bei einer komplizierten Appendizitis ist die Darmwand durchbrochen, und es darf keine Zeit verloren werden“, betonte Rolle.
Die Rate der Eingriffe bei akuter, unkomplizierter Appendizitis sank dagegen während des Lockdowns im zurückliegenden Frühjahr um 18 Prozent im Vergleich zu 2019. „Das wiederum spricht für ein sehr differenziertes Vorgehen der Mediziner“, so Rolle, „denn in solchen Fällen muss nicht unbedingt sofort operiert werden.“
Behandlungsbedürftige Blinddarmpatienten seien rechtzeitig diagnostiziert und operiert worden und hätten während des Lockdowns trotz eingeschränkter Zugangsmöglichkeiten zum Gesundheitssystem keine Nachteile erfahren. „Die Chirurgen haben bei diesem Krankheitsbild den Stresstest bestanden“, sagte Rolle.
Thomas Schmitz-Rixen, Vize-Präsident der DGCH, betonte aber, nun befinde man sich in der Mitte der zweiten Welle, in welcher „vieles anders“ sei. Die tägliche Quote an SARS-CoV-2-Ansteckungen bleibe trotz Lockdown light noch „erschreckend hoch“. Dass circa ein Prozent der Infizierten nach bis zu 20 Tagen nach Infektion intensivpflichtig werde, belaste die Intensivstationen immens.
Betten- und Beatmungskapazitäten dürften aus Sicht der DGCH ausreichen, jedoch mangele es an Pflegepersonal und inzwischen auch an ärztlichem Personal. Die Folge sei ein erneuter faktischer Lockdown in den Krankenhäusern.
Die Herausforderung in den nächsten Wochen bestehe darin, die Notfallversorgung und alle operativen Eingriffe, bei denen eine wesentliche Verschiebung des Eingriffs eine höhere Morbidität und langfristige Nachteile für die Patienten bedeuten könnte, aufrechtzuerhalten.
Die DGCH appellierte an die Bevölkerung, die AHA-Regeln einzuhalten und unnötige Kontakte zu vermeiden, bis eine deutliche Reduktion der Infektionszahlen erreicht ist. Dies tue man als Gesamtgesellschaft nicht nur für die Risikopopulation, sondern auch für den potenziellen Bevölkerungsanteil, der von einem faktischen Lockdown der Krankenhäuser betroffen sein könnte.
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