Ausland

Britische Regierung entschuldigt sich für Tod von mehr als 200 Babys

  • Donnerstag, 31. März 2022
Der englische Gesundheitsminister Sajid Javid. /picture alliance, empics, Peter Byrne
Der englische Gesundheitsminister Sajid Javid. /picture alliance, empics, Peter Byrne

London – In den Jahren 2000 bis 2019 sind in Kliniken in England mehr als 200 Babys wegen mangel­hafter Geburtshilfe während oder kurz nach der Geburt gestorben. Wegen des Skandals in Kliniken des Nationalen Gesundheitsdienstes NHS hat sich der britische Gesundheitsminister Sajid Javid gestern entschuldigt. Vor dem Parlament in London wandte er sich an „alle Familien, die so schwer gelitten haben“. „Es tut mir leid“, sagte Javid.

Zuvor war ein 250 Seiten langer Untersuchungsbericht zu den Missständen in den Kliniken des Betrei­bers Shrewsbury and Telford Hospital NHS Trust veröffentlicht worden. Demnach starben in mehreren Geburtshilfestationen in der englischen Grafschaft Shropshire innerhalb von zwei Jahrzehnten 201 Babys, die bei einer richtigen Versorgung hätten überleben können. Bei anderen Neugeborenen wurden Schädelfrakturen, andere Knochenbrüche sowie Hirnschäden wegen Sauerstoffmangels während der Geburt festgestellt.

Auch neun Mütter starben wahrscheinlich wegen falscher Behandlung. Dem Bericht zufolge wurden Schwangere in den Krankenhäusern wiederholt zu einer natürlichen Entbindung gezwungen, obwohl bei ihnen aus medizinischer Sicht ein Kaiserschnitt angezeigt war. Damit habe das Krankenhaus seine Kaiserschnittrate als Indikator für gute Geburtsmedizin so niedrig wie möglich halten wollen. Viele Frauen trugen ein Trauma von ihrer Entbindung davon.

Die Untersuchung war 2017 in Auftrag gegeben und gestern veröffentlicht worden. Untersucht wurden 1.592 Vorfälle, von denen 1.486 Familien betroffen waren.

Donna Ockenden, die die Untersuchung geleitet hatte, kritisierte bei einer Presskonferenz, dass die Krankenhausgruppe nicht aus ihren Fehlern gelernt habe. Nach 40 Prozent der Totgeburten sei gar keine interne Untersuchung eingeleitet worden. Der Krankenhausbetreiber „war überzeugt, dass seine Geburts­station gut war. Er hatte unrecht.“

Ihr Bericht habe ergeben, dass bei einem Viertel der 498 untersuchten Totgeburten „bedeutende oder größere“ Behandlungsfehler vorlagen, hob Ockenden hervor. Aus solchen Vorfällen seien keine Konse­quen­zen gezogen worden. Auf diese Weise sei „das wahre Ausmaß“ der Fälle sehr lange unentdeckt geblieben, sagte Ockenden.

Gesundheitsminister Javid sagte an die Betroffenen gewandt, die Untersuchung der Fälle zeige „eindeu­tig, dass Sie im Stich gelassen wurden von einem Dienst, der dazu da war, Ihnen und Ihren Liebsten zu helfen, Leben in diese Welt zu bringen“. Javid wie auch der Krankenhausbetreiber sagten zu, dutzende Empfehlungen aus dem Bericht umzusetzen.

Diejenigen, die für „ernsthafte und wiederholte Fehler“ verantwortlich seien, würden zur Rechenschaft gezogen, versicherte der Gesundheitsminister. Er sprach von einer polizeilichen Untersuchung, in die 600 Fälle einbezogen seien.

afp

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