Medizin

BTK-Inhibitor zeigt klinische Wirkung bei COVID-19

  • Montag, 8. Juni 2020
/JYPIX, stock.adobe.com
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Bethesda – Der Bruton-Kinase (BTK)-Inhibitor Acalabrutinib, der zur Behandlung bestimmter Lymphome entwickelt wurde, hat in einer offenen Studie in Science Immunology (2020; DOI: 10.1126/sciimmunol.abd0110) den Zytokinsturm bei Patienten abgeschwächt, die nach einer Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 an COVID-19 erkrankt waren. Jetzt ist eine randomisierte Studie geplant.

Zu den Nebenwirkungen von BTK-Inhibitoren gehören systemische Pilzinfektionen wie eine Aspergillose. Bei gesunden Menschen werden die Schimmelpilze normalerweise durch Makrophagen und Neutrophile abgewehrt.

Dieser „angeborene“ Teil des Immunsystems (im Gegensatz zu dem erworbenen Immun­system, das mit Antikörpern und T-Zellen operiert) erkennt die RNA von Viren und schüttet danach massenhaft Zytokine aus. BTK-Inhibitoren hemmen diese Immun­reaktion, indem sie Produktion von Zytokinen stoppen.

Da ein Zytokinsturm eine häufige Komplikation bei Patienten mit COVID-19 ist, hat ein Team um Wyndham Wilson vom US-National Cancer Institute in Bethesda/Maryland den BTK-Inhibitor Acalabrutinib bei COVID-19 eingesetzt.

In einer offenen Studie wurden 19 Patienten über maximal 10 Tage mit Acalabrutinib behandelt. Alle waren bei einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion an COVID-19 erkrankt. Darunter waren 11 Patienten, die seit durchschnittlich 2 Tagen Sauerstoff benötigten, sowie 8 Patienten, die seit durchschnittlich 1,5 Tagen mechanisch beatmet wurden.

Die Patienten der ersten Gruppe erholten sich relativ schnell. Bei den meisten kam es laut Wilson bereits 1 bis 3 Tage nach Beginn der Behandlung zu einer deutlichen Abschwächung der Symptome, die von einem Rückgang der Entzündungsparameter begleitet wurde. Bei 8 der 11 Patienten konnte schließlich auf die Sauerstoffgabe verzichtet werden. Bei den übrigen 3 Patienten zeichnete sich eine langsame klinische Verbesserung ab.

Bei den 8 Patienten, die bereits mechanisch beatmet wurden, waren die Ergebnisse dagegen nicht eindeutig: Bei 4 Patienten konnte die Beatmung beendet werden, von den übrigen 4 sind 3 gestorben (davon 2 noch während der Behandlung mit Acalabrutinib). Bei dem Vierten werde versucht, die Beatmung zu beenden (Weaning), teilt Wilson mit.

Die Symptomlinderung ging mit einem Rückgang des C-reaktiven Proteins und mit einer Erholung der Lymphozytenzahl einher. Ein Abfall des Interleukin 6 zeigte eine Abschwäch­ung des Zytokinsturms an. Ob diese Verbesserungen tatsächlich für den Behandlungserfolg verantwortlich ist, und welchen Anteil an der Erholung die Behand­lung mit Acalabrutinib hatte, lässt sich mangels Vergleichsgruppe nicht ermitteln.

Der Hersteller von Acalabrutinib hat eine Phase-2-Studie begonnen, in der 60 Patienten mit COVID-19 mit Acalabrutinib oder Placebo behandelt werden sollen.

Auch der BTK-Inhibitor Ibrutinib könnte bei COVID-19 wirksam sein. Mediziner des Brigham and Women’s Hospital in Boston berichteten kürzlich, dass 6 ihrer Patienten, die wegen eines Morbus Waldenström, einer Variante des Non-Hodgkin-Lymphoms, lang­fristig mit Ibrutinib behandelt wurden, an COVID-19 erkrankt waren. Die 5 Patienten, die die vorgesehene Dosis von 420 mg/Tag erhielten, erholten sich nach milden Symptomen problemlos von COVID-19.

Bei dem sechsten Patienten, bei dem die Dosis wegen Gelenkbeschwerden auf 140 mg/Tag gesenkt wurde, kam es dagegen zu einer schweren Erkrankung. Als der Patient mechanisch beatmet werden musste, entschieden sich die Mediziner, die Dosis auf 420 mg/Tag zu steigern. Wie Steven Treon und Mitarbeiter in Blood (2020; DOI: 10.1182/blood.2020006288) kürzlich berichteten, besserte sich der Zustand des Patienten so rasch, dass er bereits nach 2 Tagen extubiert werden konnte.

Andere Zentren haben begonnen, COVID-19-Patienten mit Biologika zu behandeln, die die Rezeptoren einzelner Zytokine wie Interleukin 1 (Anakinra) oder Interleukin 6 (Tocilizumab) blockieren. Auch hier gibt es bisher keine Evidenz aus randomisierten Studien.

Die Behandlungsversuche können durchaus ein zweischneidiges Schwert sein. BTK-Inhibitoren können die B-Zellen hemmen, die zur Produktion der Antikörper benötigt werden, mit denen das Immunsystem eine Infektion mit SARS-CoV-2 beenden kann.

rme

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