Politik

Bund und Länder planen Stufenplan für Coronalockerungen bis März

  • Montag, 14. Februar 2022
/picture alliance, Georg Wendt
/picture alliance, Georg Wendt

Berlin – Die weitreichenden Einschränkungen des gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens könnten bis zum kalendarischen Frühlingsbeginn am 20. März 2022 schrittweise zurückgenom­men werden. Dies geht aus einem Beschlussentwurf für die übermorgen geplante Bund-Länder-Runde hervor, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Zuvor hatte der Expertenrat der Bundesregierung Corona­lockerungen in den kommenden Wochen unter bestimmten Bedingungen für möglich erklärt.

„Die Zahl der SARS-CoV-2 Infektionen ist bisher kontinu­ierlich angestiegen, eine Plateaubildung und ein nachfolgender Abfall für die Omikron (BA.1)-Welle ist aber in den kommenden Wochen zu erwarten“, heißt es in der gestern vorgelegten sechsten Stellung­nahme des Rates. „Ein Zurückfahren staatlicher In­fektionsschutzmaßnahmen erscheint sinnvoll, sobald ein stabiler Abfall der Hospitalisierung und Inten­siv­neuaufnahmen und -belegung zu verzeichnen ist.“

Der Rat mahnt aber ein besonnenes Vorgehen an. Ein zu frühes Öffnen berge die Gefahr eines erneuten Anstiegs der Krankheitslast. Der Expertenrat plädiert unter anderem dafür, die Möglichkeit zur Anwen­dung der Maskenpflicht beizubehalten, und empfiehlt, in den kommenden Monaten die nationale Test­strategie anzupassen. Er betont zugleich die Bedeutung von Impfungen.

Die Regierungschefs der Bundesländern wollen übermorgen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die Lage beraten. In dem Beschlussentwurf heißt es, man stimme darin überein, dass die derzeit gelten­den Infek­tionsschutzmaßnahmen nunmehr „verantwortungsbewusst und in kontrollierten Schritten“ zu­rückge­fahren werden sollen. Wichtig sei ein möglichst einheitliches Vorgehen in allen 16 Ländern.

Der Beschlussentwurf sieht dazu einen Dreischritt der Öffnungen in Bereichen überregionaler oder grund­sätzlicher Bedeutung vor. In den Bereichen, die keine oder nur geringe überregionale Auswirkun­gen haben, sollen die Länder angesichts des unterschiedlichen Infektionsgeschehen und der Impfquoten so­wie der Belastungen des Gesundheitssystems eigenverantwortlich über Öffnungsschritte entscheiden können. Betont wird, dass vor jedem Schritt in beide Richtungen zu prüfen bleibe, ob die geplanten Maß­nahmen lageangemessen sind.

Drei Öffnungsschritte vorgesehen

In einem ersten Schritt sollen private Zusammenkünfte für Geimpfte und Genesene mit mehr Teilneh­men­den ermöglicht werden. Sofern nicht bereits ohnehin in den Ländern vorgesehen oder umgesetzt, soll im Einzelhandel die bisher häufig geltende Beschränkung des Zugangs entfallen – eine Masken­pflicht soll aber weiterhin gelten.

In einem zweiten Schritt soll ab dem 4. März 2022 der Zugang zur Gastronomie sowie Übernachtungs­angeboten für Geimpfte, Genesene und Personen mit tagesaktuellem Test ermöglicht (3G-Regelung) werden.

Diskotheken und Clubs sollen für Genesene und Geimpfte mit tagesaktuellem Test oder mit dritter Im­pfung (2G-Plus) geöffnet werden dürfen. Für überregionale Großveranstaltungen (inklusive Sport) sollen die zulässigen Höchstkapazitäten angepasst werden – unter Geltung der 2G-Regelung beziehungsweise 2GPlus-Regelung.

In einem dritten und letzten Schritt sollen ab dem 20. März 2022 alle tiefgreifenderen Schutzmaß­nah­men entfallen. Niedrigschwellige Basisschutzmaßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgesche­hens sollen aber weiterhin möglich sein. Der Bundestag soll die rechtlichen Grundlage dafür schaffen, dass die Länder die entsprechenden Maßnahmen ergreifen können.

Ein effizientes Monitoring der für die Krankheitslast maßgebenden Indikatoren solle als Frühwarnsystem dienen, heißt es im Papier. Die für die Erfassung der Krankheitslast relevanten Parameter (7-Tage-Inzi­denz der Neuinfektionen, Inzidenz der Hospitalisierungen, Belegung der Intensivstationen) sollen alters­ab­hängig, tagaktuell und mit guter Qualität erfasst und digital übermittelt werden können.

Das bundeseinheitliche Demis-System soll so schnell wie möglich in allen Krankenhäusern einsatzbereit sein. Hierbei sollen mit den SARS-CoV-2-Infektionen auch andere Atemwegerkrankungen wie etwa RSV oder Influenza erfasst werden, die das Gesundheitssystem (saisonal) belasten.

Der Expertenrat mahnt in seiner Stellungnahme ein weiterhin „hohes Maß an Aufmerksamkeit“ an. Er warnt vor „Unsicherheiten aufgrund einer nach wie vor weitaus zu großen Immunitätslücke in der Bevöl­kerung“.

Zu bedenken bleibe, „dass im Rahmen etwaiger Öffnungsschritte ungeimpfte und ältere Men­schen mit einem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf verstärkt in das Infektionsgeschehen ein­bezogen werden. Weiterhin tragen diese Gruppen das höchste Risiko für einen schweren Krankheits­verlauf und müssen geschützt werden.“

Grundsätzlich, so der Expertenrat, sei die dauerhafte Rücknahme aller Regeln und das Erreichen eines postpandemischen Zustands eng mit dem Erreichen einer hohen Impfquote sowie dem eigenverant­wort­lichen Handeln der Bürger verbunden.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert vor der Bund-Länder-Runde eine länger gültige gesetzliche Grundlage für Schutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht und Abstandsregeln sowie eine Not­fallstrategie für mögliche neue Wellen. „Am Mittwoch dürfen Entscheidungen nicht vertagt werden. Jetzt ist die Zeit für Weichenstellungen gekommen – nicht überstürzt, aber stufenweise“, sagte Söder. Die Am­pel müsse nun ihre Pläne offenlegen.

Söder forderte zudem eine Überarbeitung der gesamten Coronaverordnungen. „Deutschland hat sich leider in einem Gestrüpp aus unterschiedlichen Verordnungen verheddert. Wir brauchen deshalb weniger Regeln und dafür klare und verständliche Prinzipien.“

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) plädierte dafür, „einen großen Schritt in Richtung Normalität zu gehen, der für alle nachvollziehbar ist“. Die Regierungschefs von Bund und Ländern sollten nicht mehr „jedes Detail möglichst kleinteilig“ regeln, sondern sich auf die Basisschutz­maßnahmen konzentrieren und auf die Eigenverantwortung der Menschen verlassen.

FDP-Chef Christian Lindner sagte der Bild am Sonntag, nach dem Bund-Länder-Treffen müsse es einen „spürbaren Unterschied in unserem Alltag“ geben. „Klar ist, dass man zu forsch beim Öffnen sein kann. Diese Gefahr ist aber inzwischen äußerst überschaubar.“

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sagte der Rheinis­chen Post, die Öffnungsdebatte „muss und soll geführt werden, aber natürlich immer mit Augenmaß“. Insbesondere die Normalstationen verzeichneten weiterhin steigende Belegungszahlen bei Coronapa­tienten. Lockerungspläne müssten sich immer an der Infektionslage orientieren.

aha/dpa/afp/kna

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung