Bundesärztekammer: Apotheken sind keine „Arztpraxen to go“

Berlin – Die Bundesärztekammer hat sich gegen den Plan von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ausgesprochen, bestimmte Vorsorgeuntersuchungen auch in Apotheken durchführen zu lassen. „Apotheken sind von großer Bedeutung für die qualifizierte Versorgung mit Arzneimitteln. Sie sind aber keine ´Arztpraxen to go´“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt.
„Die Politik will seit Jahren systematisch medizinische Leistungen aus der ärztlichen Versorgung in die Apotheken verlagern“, so Reinhardt. Dies seien in seinen Augen jedoch bloß „teure Parallelangebote, die einen Besuch beim Arzt und die ärztliche Präventionsberatung niemals ersetzen können“.
Eine ärztliche Vorsorgeuntersuchung sei weit mehr als ein Laborbefund oder ein Blutdruckwert, betonte Reinhardt. Von der Anamnese über Diagnostik und Differenzialdiagnostik bis zur Therapie hätten Ärzte immer einen ganzheitlichen Blick auf einen Menschen.
Oft kämen beim Vorsorgegespräch gesundheitliche Probleme zu Tage, die man mit Messungen allein nicht erfassen könne. „Das wird den Menschen beim schnellen Apothekencheck vorenthalten. Besonders trifft es diejenigen, bei denen die Messwerte unauffällig sind und denen dann suggeriert wird, ein Besuch beim Arzt sei überflüssig“, so Reinhardt.
Reinhardt stellte klar, dass man das Ziel unterstütze, mehr junge Menschen zur Vorsorgeuntersuchung zu bewegen. „Heute geben fast 40 Prozent der Menschen zwischen 18 bis 24 Jahren an, regelmäßig zur allgemeinen ärztlichen Vorsorgeuntersuchung zu gehen. Noch mehr Menschen lassen sich womöglich durch gezielte Aufklärung und Information erreichen“, so der BÄK-Präsident.
An diesem Punkte sollten Politik und Kostenträger ansetzen, statt Geld für Apothekenleistungen aufzuwenden, die keinen Ersatz für die ärztliche Tätigkeit bieten könnten. Abgesehen davon könnten die knapp 19.000 Apotheken in Deutschland im Vergleich zu rund 150.000 Haus- und Facharztpraxen schon zahlenmäßig nur einen geringen Beitrag zum Vorsorgegeschehen leisten.
„Wenn es die Politik ernst damit meint, mit dem geplanten Vorbeugemedizingesetz die großen Volkskrankheiten wie Adipositas, Stoffwechselerkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und Skelett-Erkrankungen wirksam zu bekämpfen, brauchen wir dafür durchdachte Strategien über das Gesundheitswesen hinaus, so wie ausreichend und langfristig ausgelegte finanzielle Mittel“, erklärte Reinhardt.
Ärzteschaft und Politik sollten gemeinsam entsprechende Konzepte entwickeln. „Wir haben dazu die Expertise und wir sind gerne bereit, diese frühzeitig in die Gesetzesinitiative einzubringen.“
Auch der Hartmannbund hat auf die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Lauterbach mit scharfer Kritik reagiert. „Es ist vor allem das von Herrn Lauterbach inzwischen regelmäßig an den Tag gelegte Zwei-Komponenten-Verfahren, das seine Politik und deren Auswirkungen so unangenehm macht“, sagte die stellvertretende Hartmannbund-Vorsitzende, Anke Lesinski-Schiedat. Die Komponente „sachlich falsch“ in Kombination mit der Komponente „einsame Entscheidung“ verleihe dem jeweiligen Ergebnis gesundheitspolitisch seine besondere Unverdaulichkeit.
In der Sache, so Lesinski-Schiedat, sei der Stellungnahme der BÄK zum Lauterbach-Plan nicht viel hinzuzufügen. Gesundheitsvorsorge sei nichts für Medizin im Vorübergehen. Die Bedeutung von Prävention und Vorsorge sei vielmehr ein Faktor in der Gesundheitspolitik, dem in der Zukunft noch massivere Bedeutung und damit entsprechende Aufmerksamkeit zukommen müsse. Darüber komme man gerne mit Minister Lauterbach ins Gespräch.
Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, bezeichnete die Pläne des Gesundheitsministers als „vollkommen absurd, das Vorgehen sprunghaft und undurchdacht“. Dies habe nichts mit umsichtiger Gesundheitsvorsorge oder -versorgung zu tun, sondern werde nur zu noch mehr Unübersichtlichkeit in einem sowieso schon „vollkommen chaotischen Gesundheitssystem“ führen.
Zudem seien die Vorstellungen auch aus medizinisch-fachlicher Sicht „vollkommen unausgegoren“. Dass die Politik Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder auch Herz-Kreislauferkrankungen den Kampf ansagt, sei richtig – dies dürfe aber nicht per „Light-Anlaufstelle“ geschehen.
Statt noch mehr Anlaufstellen brauche es dringend feste Zuständigkeiten, die jeweils bei den dafür fachlich ausgebildeten Akteuren liegen und eine Stärkung der patientenzentrierten hausärztlichen Steuerung, betonte Beier.
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