Politik

Bundesregierung bringt Notfallreform auf den Weg

  • Donnerstag, 6. November 2025
/upixa, stock.adobe.com
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Berlin – Um künftig überfüllte Notaufnahmen zu vermeiden und die Notfallversorgung zu entlasten, will die Bundesregierung eine entsprechende Reform auf den Weg bringen. Gestern hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Ressortabstimmung mit den anderen Ministerien zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung eingeleitet, hieß es heute aus Ministeriumskreisen.

Das hatte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) kürzlich auch im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt angekündigt. Bereits ihr Vorgänger Karl Lauterbach (SPD) plante in der ehemaligen Ampelregierung eine ganz ähnliche Notfallreform. Aufgrund des Koalitionsbruchs konnte das Gesetz aber nicht mehr verabschiedet werden. Mittlerweile hat auch die Grünen-Fraktion im Bundestag einen eigenen Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung und Rettungsdienste vorgelegt.

Im Fokus der Notfallreform aus dem BMG steht die Rufnummer 116117, die deutlich ausgebaut und primär für akute Fälle genutzt werden soll. Ziel sei, darüber ein Ersteinschätzungsverfahren für alle anrufenden Personen durchzuführen und diese entsprechend in die richtige Versorgungsebene zu steuern. Zudem sollen Integrierte Notfallzentren (INZ) flächendeckend aufgebaut werden. Diese sollen laut Ministeriumskreisen „an ausgewählten Krankenhäusern“ etabliert werden.

Die INZ bestehen aus Notaufnahme des zugelassenen Krankenhauses, Notdienstpraxis und Ersteinschätzungsstelle. Die unterschiedlichen Stellen sollen digital vernetzt werden. Mit Akutfällen könne man immer in ein INZ gehen, wenn möglich vorher aber die 116117 wählen. Wer zuvor dort angerufen hat, soll in den INZ in der Regel schneller behandelt werden als Selbsteinweiser mit entsprechender oder geringer Behandlungsdringlichkeit.

Es soll weiterhin aber auch Notaufnahmen ohne INZ geben. Auch hier könne die Ersteinschätzung durchgeführt werden. Allerdings sollen Patienten von einem Krankenhaus ohne INZ auch an eines mit INZ gesteuert werden können.

Integrierte Notfallzentren 24/7 geöffnet

INZ sollen grundsätzlich rund um die Uhr geöffnet sein. Notdienstpraxen sollen an festgelegten Zeiten (Wochenende 9-21 Uhr, Mittwoch und Freitag 14-21 Uhr, Montag, Dienstag, Donnerstag 18-21 Uhr) unterstützen. Je nach Ergebnis der Ersteinschätzung werden die Patientinnen und Patienten entweder in der Notaufnahme oder in der Notdienstpraxis behandelt.

Die ambulante Akutversorgung außerhalb dieser Zeiten sollen künftig auch Kooperationspraxen nahe dem INZ übernehmen können. Ist keine dieser Praxen geöffnet, soll die Krankenhausnotaufnahme die ambulante Versorgung übernehmen.

Zudem können Integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ) aufgebaut werden. An Standorten, an denen diese Einrichtung nicht möglich ist, können Fachärztinnen und -ärzte für Kinder- und Jugendmedizin telemedizinisch unterstützen.

Für die Errichtung der INZ sollen die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Rahmenvereinbarungen über die Grundsätze der Zusammenarbeit beschließen. Damit sollen bundesweit einheitliche Vorgaben für die INZ-Strukturen geschaffen werden. Es soll darauf geachtet werden, den bürokratischen Aufwand vor Ort zu verringern. Bei lokalen Besonderheiten könne von den Rahmenvereinbarungen auch abgewichen werden.

Verknüpfung der beiden Notrufnummern

Die 116117 soll mit der Notrufnummer 112 digital in einem sogenannten Gesundheitsleitsystem verknüpft werden. Hierfür soll die Nutzung eines digitalen Informationssystems, das insbesondere die Kapazitäten der ansteuerbaren Krankenhäuser darstellt, für Leistungserbringer der Notfallrettung verpflichtend werden. Parallel dazu bleibt aber die Notrufnummer 112 für Notfälle mit Lebensgefahr oder schweren gesundheitlichen Störungen bestehen.

Die bisherigen Aufgaben der Terminservicestelle im Bereich der Akutfallvermittlung soll zukünftig die Akutleitstelle der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) wahrnehmen. Deren digitale Vernetzung mit den Rettungsleitstellen ermögliche eine bessere Steuerung und Übergabe von Hilfesuchenden. Viele akute Beschwerden sollen schnell und unkompliziert mittels telefonischer ärztlicher Beratung über die 116117 eingeschätzt und geklärt werden, auch mit Video.

Der aufsuchende Dienst der KV soll erst dann vermittelt werden, wenn weder eine Vermittlung in die Regelversorgung, eine telemedizinische Behandlung noch eine Versorgung in einem INZ im Einzelfall möglich oder geeignet ist.

Der Ausbau der 116117 soll mit zusätzlichen Mitteln von der GKV und den KV paritätisch durch eine pauschale Vorhaltefinanzierung ermöglicht werden. Es ist aber auch eine Anschubfinanzierung von 225 Millionen Euro für die digitale Infrastruktur der Leistungserbringer in der Notfallrettung ist aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität vorgesehen.

Ändern soll sich zudem, dass die Notfallrettung Teil der Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung wird. Das medizinische Notfallmanagement, die Versorgung vor Ort und die Betreuung während des Transports sollen so als Teile der Krankenbehandlung anerkannt werden. Vorgesehen ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsanspruchs im Fünften Buch Sozialgesetzbuch.

Bisher gab es nur eine Erstattung der Kosten. Ein Streit zwischen Rettungsdiensten und Krankenkassen bezüglich der Kostenübernahme bei Notfallpatienten soll damit künftig ausgeschlossen werden. Die verfassungsmäßige Zuständigkeit der Länder bezüglich der Rettungsdienste soll hingegen nicht angetastet werden.

cmk

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