Politik

Bundesverfassungs­gericht schafft Raum für Beratungszeit

  • Donnerstag, 6. Juli 2023
/Maybaum
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Berlin – Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einem Eilverfahren (Az.: 2 BvE 4/23) die Rechte der Ab­geordneten im Bundestag auf ausreichend Beratungszeit für Gesetzesvorhaben gestärkt. Es ging im vorliegen­den Fall zwar um das Heizungsgesetz der Ampelkoalition. Allerdings könnte das auch Folgen für andere Ge­setz­gebungsver­fahren im Parlament haben und damit auch das Gesundheitsressort betreffen.

Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann hatte beantragt, dass die zweite und dritte Lesung im Bundestag zum Heizungsgesetz vom BVerfG vorläufig untersagt wird, solange nicht allen Abgeordneten die wesentlichen Textpas­sa­gen des für die zweite Lesung maßgeblichen Gesetzentwurfs mindestens 14 Tage vorher zugegan­gen sind.

Die zweite und dritte Lesung des für den morgigen Freitag geplanten Gebäudeenergiegesetzes (GEG) dürfe nicht in der laufenden Sitzungswoche stattfinden, entschied das höchste deutsche Gericht daraufhin gestern Abend. Es hatte Zweifel daran angemeldet, dass die Rechte der Abgeordneten ausrei­chend gewahrt blieben.

„Der Hauptsacheantrag im Organstreitverfahren erscheint jedenfalls mit Blick auf das Recht des Antragstell­ers auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet“, schreibt das Gericht in einer Mitteilung.

Die demgemäß vom Bundesverfassungsgericht vorzunehmende Folgenabwägung führe zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen würden.

Unter den beson­deren Umständen des Einzelfalls überwiege das Interesse an der Vermeidung einer irrever­sib­­len Verletzung der Beteiligungsrechte des Antragstellers gegenüber dem Eingriff in die Verfahrensautono­mie des Bundesta­ges, der die Umsetzung des Gesetzgebungsverfahrens lediglich verzögere.

Die Verfassungsrichter wiesen in einer Mitteilung darauf hin, dass der Antragsgegner zudem selbst eine „er­heb­liche Verdichtung der zeitlichen Abläufe und eine „nicht geringe Komplexität“ des Beratungsgegenstandes einge­räumt habe.

Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann, der das Eilverfahren angestrengt hatte, sprach von einem „Weckruf aus Karls­ruhe“. Er erkärte, das bedeute, eine Verfassungsbeschwerde zu dem Gesetz wäre am Ende erfolgreich gewesen.

Im Kern geht es aber nicht nur um das Heizungsgesetz. Heilmann erklärte, aus seiner Sicht leide der Bundes­tag seit Längerem an Übereilung und daher an mangelnder Sorgfalt. Es brauche zum Beispiel eine Mindest­zeit für den zuständi­gen Ausschuss, um sich mit Plänen zu befassen, sagte er.

Dass Änderungsanträge zu Gesetzesvorhaben immer wieder, meist zum Ärger der Opposition, sehr kurzfristig in die zuständigen Ausschüsse eingebracht werden, wird seit langem beklagt. Auch entsprechende Anhörun­gen von Experten finden dann nicht mehr im eigentlich vorgesehenen Maße statt. Das gilt auch für den Gesundheitsausschuss. Ein Beispiel ist etwa die Änderung beim Ersteinschätzungsverfahren in der Notfall­versorgung.

Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, sagte dem Deutschen Ärzte­blatt, das parlamentarische Verfahren dürfe „nicht zur Makulatur“ werden. Er wies darauf hin, dass kurze Fristen vorkommen könnten, sie sollten aber die absolute Ausnahme bleiben.

„In Phasen mit akutem Handlungsdruck, wie etwa in der Pandemie, mögen sie unvermeidbar gewesen sein“, erklärte er. Gesetzentwürfe müssten im Bundestag und in den Ausschüssen aber in der nötigen Ruhe und mit genügend Zeit beraten werden.

Ansonsten gehe das nicht zur zulasten der Qualität, sondern schade auch der kontrollierenden Funktion des Parlaments. „Eine zwangsläufige Folge ist dann auch die mangelnde Akzeptanz beim Bürger. Es ist daher gut, dass das Bundesverfassungsgericht hier ein klares Stoppsignal gesetzt hat“, betonte Sorge.

Heilmann schlug vor, dass sich nun die Abgeordneten zusammensetzen, um die Geschäftsordnung des Bundestags zu überarbeiten, bevor die Verfassungsrichter Vorgaben machen. „Wir sollten dafür sorgen, dass wir zu einer besseren Gesetzgebungspraxis in Deutschland kommen, das würde die Demokratie, den Parlamentarismus und den Deutschen Bundestag stärken.“

may/dpa

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