Bundesverfassungsgericht schafft Raum für Beratungszeit

Berlin – Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einem Eilverfahren (Az.: 2 BvE 4/23) die Rechte der Abgeordneten im Bundestag auf ausreichend Beratungszeit für Gesetzesvorhaben gestärkt. Es ging im vorliegenden Fall zwar um das Heizungsgesetz der Ampelkoalition. Allerdings könnte das auch Folgen für andere Gesetzgebungsverfahren im Parlament haben und damit auch das Gesundheitsressort betreffen.
Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann hatte beantragt, dass die zweite und dritte Lesung im Bundestag zum Heizungsgesetz vom BVerfG vorläufig untersagt wird, solange nicht allen Abgeordneten die wesentlichen Textpassagen des für die zweite Lesung maßgeblichen Gesetzentwurfs mindestens 14 Tage vorher zugegangen sind.
Die zweite und dritte Lesung des für den morgigen Freitag geplanten Gebäudeenergiegesetzes (GEG) dürfe nicht in der laufenden Sitzungswoche stattfinden, entschied das höchste deutsche Gericht daraufhin gestern Abend. Es hatte Zweifel daran angemeldet, dass die Rechte der Abgeordneten ausreichend gewahrt blieben.
„Der Hauptsacheantrag im Organstreitverfahren erscheint jedenfalls mit Blick auf das Recht des Antragstellers auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet“, schreibt das Gericht in einer Mitteilung.
Die demgemäß vom Bundesverfassungsgericht vorzunehmende Folgenabwägung führe zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen würden.
Unter den besonderen Umständen des Einzelfalls überwiege das Interesse an der Vermeidung einer irreversiblen Verletzung der Beteiligungsrechte des Antragstellers gegenüber dem Eingriff in die Verfahrensautonomie des Bundestages, der die Umsetzung des Gesetzgebungsverfahrens lediglich verzögere.
Die Verfassungsrichter wiesen in einer Mitteilung darauf hin, dass der Antragsgegner zudem selbst eine „erhebliche Verdichtung der zeitlichen Abläufe und eine „nicht geringe Komplexität“ des Beratungsgegenstandes eingeräumt habe.
Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann, der das Eilverfahren angestrengt hatte, sprach von einem „Weckruf aus Karlsruhe“. Er erkärte, das bedeute, eine Verfassungsbeschwerde zu dem Gesetz wäre am Ende erfolgreich gewesen.
Im Kern geht es aber nicht nur um das Heizungsgesetz. Heilmann erklärte, aus seiner Sicht leide der Bundestag seit Längerem an Übereilung und daher an mangelnder Sorgfalt. Es brauche zum Beispiel eine Mindestzeit für den zuständigen Ausschuss, um sich mit Plänen zu befassen, sagte er.
Dass Änderungsanträge zu Gesetzesvorhaben immer wieder, meist zum Ärger der Opposition, sehr kurzfristig in die zuständigen Ausschüsse eingebracht werden, wird seit langem beklagt. Auch entsprechende Anhörungen von Experten finden dann nicht mehr im eigentlich vorgesehenen Maße statt. Das gilt auch für den Gesundheitsausschuss. Ein Beispiel ist etwa die Änderung beim Ersteinschätzungsverfahren in der Notfallversorgung.
Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, sagte dem Deutschen Ärzteblatt, das parlamentarische Verfahren dürfe „nicht zur Makulatur“ werden. Er wies darauf hin, dass kurze Fristen vorkommen könnten, sie sollten aber die absolute Ausnahme bleiben.
„In Phasen mit akutem Handlungsdruck, wie etwa in der Pandemie, mögen sie unvermeidbar gewesen sein“, erklärte er. Gesetzentwürfe müssten im Bundestag und in den Ausschüssen aber in der nötigen Ruhe und mit genügend Zeit beraten werden.
Ansonsten gehe das nicht zur zulasten der Qualität, sondern schade auch der kontrollierenden Funktion des Parlaments. „Eine zwangsläufige Folge ist dann auch die mangelnde Akzeptanz beim Bürger. Es ist daher gut, dass das Bundesverfassungsgericht hier ein klares Stoppsignal gesetzt hat“, betonte Sorge.
Heilmann schlug vor, dass sich nun die Abgeordneten zusammensetzen, um die Geschäftsordnung des Bundestags zu überarbeiten, bevor die Verfassungsrichter Vorgaben machen. „Wir sollten dafür sorgen, dass wir zu einer besseren Gesetzgebungspraxis in Deutschland kommen, das würde die Demokratie, den Parlamentarismus und den Deutschen Bundestag stärken.“
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