Politik

Krankenhäuser wollen bei Heizwende nicht vergessen werden

  • Freitag, 8. September 2023
/SasaStock, stock.adobe.com
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Berlin – Der Bundestag hat heute das umstrittene Heizungsgesetz verabschiedet. Die Deutsche Krankenhaus­gesell­schaft (DKG) mahnt nun an, die Krankenhäuser auch in die Lage zu versetzen, ihre Gebäude mit moderner Heiz­technik auszustatten.

„Das Gesundheitswesen ist für rund fünf Prozent aller CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich“, sagte der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß. Auf die Krankenhäuser entfalle dabei der größte Anteil. Er wies darauf hin, dass gerade die Krankenhäuser „sehr stark von veralteter Heiztechnik betroffen“ seien. So leisteten „vielerorts sogar noch alte Ölheizkessel ihren Dienst“.

Einer Analyse des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) zufolge seien die in den Kliniken im Einsatz befindli­chen Öl- und Gaskessel durchschnittlich älter als 20 Jahre, so die DKG. Deren Energieeffizienz sei „katastrophal“.

Die Kliniken verbrauchten pro Bett und Jahr 25.000 Kilowattstunden (KWh) Energie für die Wärmeerzeugung. Das sei „mehr als eine vierköpfige Familie in einem Einfamilienhaus benötigt“. Da Krankenhäuser sehr energie- und heizintensiv seien, habe das „natürlich Folgen für den Klimaschutz“.

Erst im Juni hatten nach Angaben der DKG 87 Prozent der Krankenhäuser in einer Blitzumfrage des DKI geant­wortet, dass fehlende Investitionsfinanzierung die Hauptursache für ausbleibende klimagerechte Modernisie­rung sei.

„Das ist kein Wunder, schließlich erfüllen die Bundesländer schon seit Jahrzehnten nicht mehr ihre Pflicht zur Finanzierung der Klinikinvestitionen, so dass wir eine Investitionslücke von mehr als drei Milliarden Euro jährlich registrieren“, sagte Gaß. Die völlig veraltete Technik der Wärmeerzeugung in Krankenhäusern sei eine Folge davon.

Zusätzlich sieht die DKG die Bundesregierung gefragt. Diese müsse die akute wirtschaftliche Notlage mit einem Inflationsausgleich lindern, und – gemeinsam mit den Ländern – ein Investitionsprogramm für die klimagerechte Modernisierung der Krankenhäuser auflegen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wollte bei der Gesetzgebung zur Heizungsmodernisierung großzügige Ausnahmeregelungen für Einrichtungen im Gesundheitswesen erreichen. Er wollte, dass Kliniken, Pflege- und Reha-Einrichtungen den Einbau einer neuen Gasheizung beantragen können, falls die ansonsten notwendigen Investitionen eine unverhältnismäßige Belastung für die Gesundheitseinrichtungen darstellt.

Inwieweit die Änderungen Eingang ins Gesetz gefunden haben, war vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) heute nicht mehr zu erfahren. In dem Gesetzentwurf ist eine solche Regelung nicht eindeutig auszu­machen.

Viel Ärger um das Gesetz

Das Heizungsgesetz zielt darauf ab, durch einen schrittweisen Austausch von Öl- und Gasheizungen das Heizen in Deutschland klimafreundlich zu machen. Für das Gesetz stimmten heute 399 Abgeordnete, mit Nein 275. Fünf Abgeordnete enthielten sich. Ende September muss das Gebäudeenergiegesetz – oft als Heizungsgesetz bezeichnet – noch den Bundesrat passieren.

Das neue Gebäudeenergiegesetz sieht im Kern vor, dass künftig jede neu eingebaute Heizung mit 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Das Gesetz soll Anfang 2024 in Kraft treten, aber unmittelbar erst einmal nur für Neubaugebiete gelten. Für Bestandsbauten soll eine kommunale Wärmeplanung der Dreh- und Angelpunkt sein, die schrittweise kommen soll.

Auf der Grundlage einer Wärmeplanung sollen Hausbesitzer entscheiden können, was sie machen – ob sie sich etwa an ein Wärmenetz anschließen lassen oder eine Wärmepumpe oder eine andere klimafreundlichere Hei­zung einbauen. Die kommunale Wärmeplanung soll in Kommunen über 100.000 Einwohnern ab Mitte 2026 und für die restlichen Kommunen ab Mitte 2028 vorliegen. Das Gesetz dafür ist allerdings noch nicht beschlossen.

Vor dem Beschluss des Heizungsgesetzes gab es im Bundestag eine kontroverse und lautstarke Debatte. Wirt­schafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) verteidigte das Gesetz gegen scharfe Kritik der Oppo­sition. Er sagte: „Ich finde es berechtigt, mit konkreten und auch besorgten Nachfragen auf dieses Gesetz ein­zugehen. Was man allerdings nicht durchgehen lassen sollte, ist, den Menschen Sand ins Auge zu streuen – zu sagen, wir machen Ziele, aber wir tun nichts dafür, dass diese Ziele erreicht werden.“

Die unionsgeführte Bundesregierung habe beschlossen, dass Deutschland 2045 klimaneutral sein solle. Es sei­en aber keine konkreten Maßnahmen vorgeschlagen worden, sagte Habeck. Nun werde es konkret, Millionen von Menschen seien betroffen. Er nehme Sorgen sehr ernst. Das Gesetz schaffe Rechtssicherheit, schütze die Verbraucherinnen und Verbraucher vor hohen Energiepreisen und sorge für eine soziale Ausbalancierung.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge räumte Fehler ein. Sie sagte, die Koalition habe hart miteinander gerungen, zu oft auch öffentlich – und bei den Bürgern Verunsicherung erzeugt, die nicht nötig gewesen wäre.

Über das Gesetz hatte es monatelange Konflikte auch in der Koalition aus SPD, Grünen und FDP gegeben. Auf Druck vor allem der FDP hatte es grundlegende Änderungen des ursprünglichen Entwurfs gegeben. Die FDP betont vor allem „Technologieoffenheit“ – nach dem Motto: „Die Heizung muss zum Haus passen und nicht umgekehrt.“

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner schrieb auf der Plattform X (früher Twitter): „Es ist nun kein Gesetz mehr, vor dem Menschen Angst haben müssten, weil der Staat in ihren Heizungskeller steigt.“ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf X unter Verweis auf das Ziel der Klimaneutralität: „Ein weiterer guter Schritt.“

Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) nannte das Gesetz „Irrsinn“ und ein „Konjunkturprogramm für Populisten“. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einem kommunikativen „Desaster“. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, die vorgesehene künftige staatliche Förderung sei unzureichend. „Dieses Gesetz macht die Menschen arm.“

Das Gesetz sollte eigentlich Anfang Juli und damit vor Beginn der Sommerpause beschlossen werden. Das Bundesverfassungsgericht aber stoppte eine Verabschiedung vor der Sommerpause. Das Gericht hatte Zweifel daran angemeldet, dass die Rechte der Abgeordneten ausreichend gewahrt blieben. Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann hatte wegen des engen Zeitplans im Gesetzgebungsverfahren einen Antrag auf eine einst­weilige Anordnung gestellt.

Heilmann kritisierte im Bundestag, dass es keine erneute Sitzung des zuständigen Bundestagsausschusses ge­geben habe. Er hatte mit Blick auf eine weiter anhängige Klage bereits gesagt, er halte die letzte Lesung im Bundestag allein für nicht ausreichend. Sollte die Regierung nicht nachsteuern, würde sie ein formell ver­fassungswidriges Gesetz beschließen – es bleiben also Risiken für das Gebäudeenergiegesetz. Eine Zustimm­ung im Bundesrat gilt aber als sicher.

Die Koalition begründet die Reform im Gesetzentwurf damit, dass Deutschland ohne ein schnelles Umsteuern bei der Gebäudewärme weder die Klimaziele erreichen noch die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen rasch reduzieren könne. Mehr als 80 Prozent der Wärmenachfrage werde aktuell noch durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern gedeckt, dabei dominiere Erdgas.

Zudem dürfte eine auf erneuerbaren Energien basierende Wärmeversorgung mittel- bis langfristig eine sehr viel kalkulierbarere, kostengünstigere und stabilere Wärmeversorgung gewährleisten: „Insbesondere der Nut­zung der überall kostenlos verfügbaren erneuerbaren Umweltwärme mittels Wärmepumpen und Solarthermie wird dabei eine entscheidende Rolle zukommen.“

Im Zuge der Gesetzesänderungen soll auch die staatliche Förderung des Heizungstauschs reformiert werden, das soll gelten ab 2024. Das sieht ein angenommener Entschließungsantrag vor. Die maximal förderfähigen Kosten sollen zum Beispiel bei einem Einfamilienhaus bei 30.000 Euro liegen. Der maximale staatlicher Zu­schuss liegt also bei 21.000 Euro. Zudem soll es zinsgünstige Kredite über die Förderbank KfW geben.

dpa/may

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