Politik

Bundesver­waltungsgericht lehnt Zugang zu Natrium-Pento­barbital ab

  • Dienstag, 7. November 2023
/picture alliance, Global Travel, Jürgen Held
/picture alliance, Global Travel, Jürgen Held

Leipzig – Der Bund ist nicht verpflichtet, Natrium-Pentobarbital an Sterbewillige abzugeben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Für Menschen, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen, gebe es andere zu­mutbare Wege und Möglichkeiten, entschied das oberste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig heute.

Sie würden nicht in ihrem Recht auf einen selbstbestimmten Tod verletzt, wenn der Staat ihnen den Zugang zu einem bestimmten tödlichem Medikament zur Selbsttötung zu Hause verwehre. Die Gefahren eines Miss­brauchs von Natrium-Pentobarbital seien zu hoch.

Zwei Männer aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen hatten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medi­zin­produkte (BfArM) die Erlaubnis verlangt, Natrium-Pentobarbital erwerben zu dürfen. Damit wollen sie sich zu Hause im Kreise ihrer Familien selbst das Leben nehmen können.

Das Bundesinstitut lehnte die Erlaubnis unter Verweis auf das Betäubungsmittelgesetz ab. In den Vorinstan­zen hatten die Klagen der Männer keinen Erfolg. Jetzt wies das Bundesverwaltungsgericht auch ihre Revision zurück (Az.: BVerwG 3 C 8.22 BVerwG 3 C 9.22).

Der Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung sei grundsätzlich nicht mit dem Zweck des Betäu­bungs­mittelgesetzes vereinbar, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, so das Gericht.

Medizinische Versorgung im Sinne der Vorschrift meine die Anwendung eines Betäubungsmittels zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden, erläuterte das Bundesverwaltungsgericht. „Eine solche therapeutische Zielrichtung hat die Beendigung des eigenen Lebens grundsätzlich nicht.“

Nach Ansicht des Gerichts ist auch der Grundrechtseingriff berechtigt. So bestehe nach Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts für Sterbewillige die realistische Möglichkeit, über eine Ärztin oder einen Arzt Zu­gang zu (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden könne, hieß es. Auch geschäftsmäßige Angebote der Suizidhilfe seien wieder verfügbar.

Das Gericht gesteht aber auch ein, dass die Alternativen für die Sterbewilligen mit Belastungen verbunden sind. Diese müssten unter anderem „eine ärztliche Person finden, die bereit sei, die notwendige pharmakolo­gische und medizinische Unterstützung zu leisten“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.

Erschwernisse für die Sterbewilligen ergäben sich außerdem bei der oralen Anwendung der Arzneimittel, weil eine größere Menge eingenommen werden müsse als bei der Lebensbeendigung mit Natrium-Pentobarbital.

Allerdings stünden den Belastungen der Sterbewilligen „wichtige Gemeinwohlbelange gegenüber, die durch die Nichteröffnung des Zugangs zu Natrium-Pentobarbital geschützt werden“.

Die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung durch Miss- oder Fehlgebrauch des Mittels seien angesichts seiner tödlichen Wirkung und der einfachen Anwendbarkeit „besonders groß und wiegen schwer“. Diese besonderen Gefahren seien die Kehrseite der dargelegten Vorzüge des Mittels für die Sterbewilligen, so das Gericht.

Dem Gesetzgeber kommt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts bei der Gewichtung der Gefahren des Betäubungsmittelverkehrs und der Ausgestaltung des Schutzkonzepts zur Verhinderung von Miss- und Fehl­gebrauch ein Spielraum zu. „Dessen Grenzen sind mit dem Verbot des Erwerbs von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung nicht überschritten.“

Der Anwalt der Kläger, Robert Roßbruch, reagierte enttäuscht auf das Urteil. „Das ist ein schwarzer Tag für die beiden Kläger und ein schwarzer Tag für alle suizidwilligen Menschen in Deutschland, die die Hoffnung hatten, sich mit Natrium-Pentobarbital suizidieren zu können, um ihr Leid zu beenden.“ Er kündigte an, sich voraussichtlich an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wenden zu wollen. Dazu wolle er die schriftli­che Urteilsbegründung abwarten, die Anfang nächsten Jahres vorliegen soll.

Dagegen begrüßte die Deutsche Stiftung Patientenschutz das Urteil. „Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat keinen Auftrag, die Zuteilung von Natrium-Pentobarbital zu regeln“, erklärte Vorstand Eugen Brysch. Es gebe genug andere Selbsttötungsmittel. Der Bundestag sei aber gefordert, ein Verbot der kommerziellen Sterbehilfe auf den Weg zu bringen.

Aus Sicht von Paula Piechotta, Berichterstatterin der Grünen für Medikamente im Bundestag, macht das Urteil „einmal mehr deutlich“, dass der Bundestag dringend zu einer Mehrheit für eine Neuregelung der Suizidhilfe kommen müsse. Damit ein neuer Anlauf nicht wieder in einer Pattsituation im Parlament ende, brauche es jetzt einen von Anfang an lagerübergreifenden Lösungsansatz.

dpa/kna/may

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung